Justizvollzug
Grundlagen und Ziele des Justizvollzuges
Bestraft wird, wer das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum seiner Mitmenschen nicht achtet und somit das Vertrauen in ein sicheres Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft stört. Solchen Rechtsgutverletzungen kann unser Rechtsstaat unter anderem mit strafrechtlichen Sanktionen entgegen treten. Auch Selbstjustiz ist in diesem Rahmen strafbar. Die höchste Strafmaßnahme für strafbares Verhalten ist die Freiheitsstrafe, die in den Justizvollzugsanstalten vollzogen wird. Das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz (NJVollzG) regelt den Erwachsenen- und Jugendstrafvollzug sowie den Vollzug der Untersuchungshaft.
Der Erwachsenenstrafvollzug zielt darauf ab, Gefangene zu einem Leben ohne Straftaten zu befähigen. Durch den Vollzug soll zudem die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten geschützt werden. Beispielsweise durch eine gelungene Resozialisierung schützt der Vollzug nicht nur während der Haft, sondern trägt durch die Arbeit mit den Gefangenen auch nach der Haft zum Schutz der Bevölkerung bei. Die Gratwanderung zwischen Bestrafung und Wiedereingliederung stellt eine Herausforderung dar, der sich Niedersachsen seit vielen Jahren erfolgreich stellt.
Wichtig ist, dass die Straftäter einerseits für ihre Verbrechen bestraft werden, sie anderseits aber auch menschenwürdig behandelt werden und angemessen auf das Leben nach der Haft vorbereitet werden.
Im Jugendstrafvollzug ist Resozialisierung besonders wichtig, wobei der Schwerpunkt auf erzieherischen Maßnahmen liegt. Hierauf spezialisiert ist die Jugendanstalt Hameln, in der männliche Jugendliche und Heranwachsende ihre Jugendstrafe verbüßen. Aufgrund der sehr geringen Zahl von Jugendstraftäterinnen, verbüßen diese ihre Jugendstrafe in einer getrennten Abteilung der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta.
Die Sicherungsverwahrung schützt die Allgemeinheit vor Tätern, die ihre Strafe bereits verbüßt haben, von denen jedoch immer noch eine Gefahr ausgeht.
Die Untersuchungshaft sichert das laufende Strafverfahren unter anderem bei Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Die unter Tatverdacht stehende Person wird u. a. daran gehindert, das Land zu verlassen, Beweise zu fälschen oder Zeugen zu beeinflussen.
Vollzugsgestaltung
Auch die Mitwirkung der Gefangenen im Vollzug ist gesetzlich festgelegt. Die Gefangenen nehmen an geeigneten Maßnahmen teil, die sie in sozialer und bildungsspezifischer Hinsicht weiterbilden und somit auch zu einer gelungenen Wiedereingliederung beitragen.
Kann das Ziel einer Maßnahme nicht dauerhaft erreicht werden, weil die oder der Gefangene zum Beispiel nicht zufriedenstellend mitarbeitet, ist eine weitere Teilnahme in der Regel nicht mehr sinnvoll. Aufgrund der hohen Kosten der Bildungs- und Behandlungsmaßnahmen sollte die Teilnahme in einem solchen Fall beendet werden, um den Gefangenen eine Chance zu geben, die diese sinnvoll für sich und zum Wohle der Gesellschaft nutzen.
Ein niedriger Bildungsstand ist häufig eine der Ursachen für die Entwicklung kriminellen Verhaltens. Etwa die Hälfte der Gefangenen hat weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss. Deshalb bieten die Justizvollzugsanstalten ein differenziertes Aus- und Fortbildungsprogramm an, von dem Gefangene profitieren können. Dies ist ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche Wiedereingliederung nach der Entlassung.
Schulische Maßnahmen
Das schulische Angebot reicht von Elementar- und Alphabetisierungskurse bis hin zu Integrationskursen für ausländische Inhaftierte. Neben der Möglichkeit, Förder- und Hauptschullehrgänge zu absolvieren, können Gefangene auch einen Realschulabschluss erwerben. Mit Hilfe dieser schulischen Angebote werden besonders junge Gefangene auf die Teilnahme an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen vorbereitet.
Berufliche Maßnahmen
Ähnlich vielfältig ist das berufliche Aus- und Weiterbildungsangebot. So können Gefangene zum Beispiel als Maurer, Schweißer, Koch, Bäcker oder Maler und Lackierer ausgebildet werden. Diese Ausbildungen können nach der Haft fortgesetzt werden. Die Gefangenen können im handwerklichen Bereich auch an sechsmonatigen Qualifizierungen oder Umschulungsmaßnahmen teilnehmen. Gefangene mit kurzen Freiheitsstrafen haben die Möglichkeit, einzelne Module aus dem Dienstleistungsbereich zu absolvieren (z.B. Glas- und Gebäudereiniger).
Das Aus- und Weiterbildungsangebot wird in Abstimmung mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit sowie mit freien Bildungsträgern den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes angepasst. Damit soll sichergestellt werden, dass die Teilnehmer nach der Entlassung möglichst schnell vermittelt werden können.
Soziale Hilfen
Schulische und berufliche Bildung sind oftmals nicht ausreichend, um die Eigenverantwortung der Gefangenen zu stärken und ihnen dabei zu helfen, sich nach der Haft in die Gesellschaft einzugliedern. Zur Verbesserung ihrer sozialen Kompetenz werden Behandlungs- und Trainingsmaßnahmen ebenso eingesetzt wie gezielte Freizeit- und Sportangebote. Hinzu kommen Maßnahmen, in denen die Gefangenen lernen, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten selbst zu organisieren. Hierzu zählen:
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Beantragung von Personal- und Arbeitspapieren
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Erstellung von Schuldenregulierungsplänen
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Anmietung von Wohnraum
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sowie Beschaffung einer Arbeitsstelle für die Zeit nach der Haft
Sozialtherapeutische Einrichtungen
Sexualstraftäter und Gefangene, die wegen eines Verbrechens gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit verurteilt worden sind, werden in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt. Dies geschieht, wenn bei Gefangenen eine Aussicht auf Besserung besteht und die Behandlung zu einer Verringerung der Gefahr für die Allgemeinheit führen kann.
Auch andere Gefangene können in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt werden, wenn sie bereit sind, aktiv an der Behandlung mitzuarbeiten und ihre Einstellungen und Verhaltensweisen zu ändern.
Durch ein erfolgreiches Zusammenwirken von Psychotherapie, Sozialem Training, Lernen im Alltag (in der Wohngruppe, bei Arbeit und Ausbildung, Sport etc.) und Maßnahmen der Entlassungsvorbereitung können die Gefangenen nach ihrer Entlassung oft besser in sozialer Verantwortung leben.
Aufgrund der steigenden Teilnehmerzahl im Bereich der Sozialtherapie, werden die Einrichtungen schrittweise um weitere Behandlungsplätze ausgebaut.