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Vorstellung des vierten gemeinsamen Lagebildes von Polizei und Justiz zur Clankriminalität 2023 in Niedersachsen –

Leichter Rückgang bei Straftaten, Anstieg bei Zahl der Gerichtsverfahren


Innenministerin Behrens: „Die enge Kooperation von Polizei und Justiz ist erfolgreich und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir müssen unsere Strategien anpassen und weiterentwickeln, um diesen flexiblen und vielseitigen kriminellen Strukturen effektiv entgegenzutreten.“


Justizministerin Dr. Wahlmann: „Wer glaubt, sich nicht an unsere Gesetze und Regeln halten zu müssen, der hat in Niedersachsen keine Chance – das hat das heute vorgestellte Lagebild erneut gezeigt. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat; Parallelgesellschaften und Schattenjustiz werden wir auch in Zukunft nicht dulden. Unsere Botschaft ist klar: Der Rechtsstaat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen – weder von kriminellen Clanmitgliedern noch von sonst jemandem.“


Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, und die Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann, haben am (heutigen) Montag das vierte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zur Clankriminalität in Niedersachsen vorgestellt.


Kriminelle Clanstrukturen sind gekennzeichnet durch die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere aus diesem Umfeld, das sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und eine allgemein rechtsfeindliche Gesinnung auszeichnet.

Die maßgeblichen, ergänzenden Indikatoren umfassen unter anderem:

  • das Ausleben eines stark überhöhten familiären Ehrbegriffs und das innerfamiliäre Sanktionieren von Verstößen gegen diesen Ehrbegriff,
  • das Voranstellen von familieninternen, oft im Gewohnheitsrecht verwurzelten Normen über das Gesetz und die Verfassung,
  • das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen oder geringfügigen Rechtsverstößen unter Ausnutzung clantypischer Mobilisierungs- und Bedrohungspotentiale,
  • eine den Rechtsstaat umgehende oder unterlaufende Paralleljustiz.

Wesentliche Inhalte des Lagebildes 2023

Im Jahr 2023 wurden der Clankriminalität insgesamt 3.610 Straftaten zugeordnet; im Jahr 2022 waren es noch 3.986. Damit ist im Jahr 2023 erstmals ein Rückgang von 9,43 % (-376 Fälle) im Vergleich zum Vorjahr zu konstatieren. Verglichen mit der gesamten Polizeilichen Kriminalstatistik, welche 553.202 Straftaten insgesamt ausweist, ergibt dies für die Clankriminalität einen prozentualen Anteil von 0,65 %.

Innenministerin Daniela Behrens erklärt dazu: „Die Bekämpfung der Clankriminalität ist seit Jahren ein Schwerpunkt in der Kriminalitätsbekämpfung in Niedersachsen. Unsere Strategie basiert dabei auf einer engen, vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Justiz sowie einer intensiven Netzwerkarbeit mit benachbarten Behörden und Institutionen. Diese enge Kooperation von Polizei und Justiz ist erfolgreich und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dennoch stehen wir in diesem Phänomenbereich auch weiterhin vor großen Herausforderungen. Wir müssen unsere Strategien ständig anpassen und weiterentwickeln, um diesen flexiblen und vielseitigen kriminellen Strukturen effektiv entgegenzutreten.“

Die Clankriminalität hat zwar statistisch gesehen nur weniger als ein Prozent Anteil an der polizeilich erfassten Kriminalität, stellt aber die Strafverfolgungsbehörden anhaltend vor große Herausforderungen und wirkt sich neben den objektiv von ihr ausgehenden Gefahren insbesondere auf die subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger negativ aus. Deshalb wird sie seit mehreren Jahren als ein landesweiter Schwerpunkt in der Aufgabenwahrnehmung von Polizei und Justiz intensiv verfolgt.

Kennzeichnend für das Phänomen der Clankriminalität machen Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit 1.110 Taten fast ein Drittel der Gesamtfälle aus. Bei genauerer Betrachtung wird dabei ersichtlich, dass mit 631 Fällen ein Großteil der Rohheitsdelikte auf Körperverletzungsdelikte entfällt.

Innenministerin Behrens dazu: „Trotz ihres vergleichsweisen geringen Anteiles an der Gesamtkriminalität stellt die Clankriminalität eine ernsthafte Bedrohung für den gesellschaftlichen Frieden dar, der wir mit klaren und entschlossenen Maßnahmen begegnen. Clankriminelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie unseren Rechtsstaat und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnen und verhöhnen. Ihre Taten haben das Potential, in der Bevölkerung für eine große Verunsicherung zu sorgen. Ein Aspekt, der dazu wesentlich beiträgt, ist die hohe Gewaltbereitschaft der Täter, die neben der Ausübung physischer Gewalt auch vor dem Einsatz von Waffen aller Art nicht zurückschrecken. Das können und werden wir in Niedersachsen nicht akzeptieren!“

Bei den Straftaten gegen die persönliche Freiheit (412 Fälle) liegt der Schwerpunkt bei den Bedrohungsdelikten (insgesamt 338 Fälle). Darüber hinaus hat das Berichtsjahr erneut gezeigt, dass kriminelle Angehörige entsprechender Clanstrukturen äußerst flexibel sich bietende Gelegenheiten ergreifen und in der Lage sind, kriminelle Angebote unverzüglich auf den Markt zu bringen.

Korrespondierend mit dem Rückgang der Fälle wurden 3.048 Tatverdächtige erfasst; im Vergleich dazu waren es im Jahr 2022 noch 3.323 tatverdächtige Personen. Etwa 82% Prozent waren männlich und 56% in einem Alter unter 30 Jahren. Etwa 54% der ermittelten Tatverdächtigen haben die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Tatorte verteilen sich – in unterschiedlicher Ausprägung – über das gesamte Flächenland Niedersachsen, sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Eine dauerhafte Konzentration an bestimmten Orten ist bislang nicht festzustellen.

„Die Strukturen krimineller Clans oder Clanangehöriger weisen oft überörtliche, bundeslandübergreifende und sogar internationale Vernetzungen auf. Diese weitreichenden Verbindungen erhöhen das Gefahrenpotenzial erheblich und es ist unerlässlich, dass wir verhindern, dass sich kriminelle Clanstrukturen weiter ausdehnen und unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen unterwandern“, so Behrens weiter.

Im Gegensatz zu dem bei den polizeilichen Ermittlungsverfahren zu verzeichnendem Rückgang, gingen bei den vier niedersächsischen Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade insgesamt 1.404 Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte neu zur Bearbeitung ein. Damit ist ein erneuter deutlicher Anstieg der Verfahrenszahlen gegenüber dem Vorjahresberichtszeitraum um ca. 29% zu verzeichnen, nachdem der Zuwachs für das Berichtsjahr 2022 bereits bei 28% lag.

Justizministerin Dr. Wahlmann: „Der erneute Anstieg der staatsanwaltlichen Verfahren macht deutlich, dass die niedersächsische Null-Toleranz-Strategie der richtige Weg ist. Die Clankriminalität stellt ein hoch gefährliches Kriminalitätsphänomen dar, das wir auch weiterhin konsequent bekämpfen werden. Wer sich über unsere Regeln stellt, der bekommt die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren.“

Ebenso wie im Lagebild 2022 lag die Anklagequote der Zentralstellen über der allgemeinen Anklagequote der niedersächsischen Staatsanwaltschaften: In insgesamt 27% der Verfahren wurde Anklage erhoben oder ein Strafbefehlsantrag gestellt. Hierzu stellt Dr. Wahlmann fest: „Die vergleichsweise hohe Anklage- und Strafbefehlsquote ist ein weiterer Beweis dafür, wie effektiv und schlagkräftig unsere vier spezialisierten Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade agieren. Die Kolleginnen und Kollegen lassen nicht locker und bekämpfen jegliche Form von Clankriminalität. Ob einfache Ordnungswidrigkeiten oder schwerste Organisierte Kriminalität: Alle Taten werden konsequent verfolgt.“

Maßgebliche Bekämpfungsansätze

Mit der im Januar 2022 aktualisierten „Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen“ bestehen landesweit einheitliche und zukunftsfähige Standards, die auf einen ganzheitlichen und niedrigschwelligen Ansatz abzielen.

Die behördenübergreifende Zusammenarbeit wurde weiter ausgebaut und trägt einerseits maßgeblich dazu bei, die Clankriminalität und ihre Facetten ins Hellfeld zu rücken und andererseits eine ganzheitliche, konsequente Bekämpfung sich etwaig etablierender Strukturen und Geschäftsmodelle zu unterbinden.

Innenministerin Daniela Behrens sagt dazu: „Die Umsetzung unserer Null-Toleranz-Strategie ist weiterhin der zentrale Pfeiler unserer Maßnahmen. Dazu gehören ein hoher Kontrolldruck und ein niedrigschwelliges Einschreiten auch bei kleineren Verstößen. Darüber hinaus legen wir unseren Fokus auf den Ausbau der Zusammenarbeit mit allen relevanten Netzwerkpartnern auf Landes- und Bundesebene. Diese Kooperationen sollen in der Entstehung von Sicherheitspartnerschaften münden. Durch behördenübergreifende Bekämpfungskonzepte und konkrete interdisziplinäre Maßnahmen werden wir weitere Synergieeffekte erzielen.“

Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann ergänzt: „Polizei und Justiz sind in Niedersachsen bestens vernetzt – dadurch ist unser Kampf gegen kriminelle Clans so erfolgreich. Und wir werden auch in Zukunft nicht nachlassen. Der ganzheitliche Ansatz unserer Schwerpunktstaatsanwaltschaften und die hervorragende Zusammenarbeit mit der Polizei und den Kommunen wird kriminellen Clans auch in Zukunft das Leben schwermachen. Unsere Botschaft an sie ist klar: Wir verfolgen Euch weiterhin konsequent und wir bringen Euch vor Gericht.“

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.08.2024

Ansprechpartner/in:
Frau Verena Brinkmann

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 5044

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