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Stellungnahme des Niedersächsischen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus zum diesjährigen Gedenken an die Novemberprognome des Jahres 1938

Im Vorfeld des diesjährigen Erinnerns an die Geschehnisse des 9. November 1938, äußert sich der Niedersächsische Landesbeauftragte gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, Franz Rainer Enste, wie folgt:

„Die von den Nationalsozialisten provozierten und gesteuerten Pogrome am 9. November 1938 - mit einer johlend Beifall spendenden oder einer schweigend-wegsehenden Unterstützung der damaligen entsetzlichen Brandschatzungsaktionen durch große Teile der Bevölkerung - waren ein weithin sichtbares und eben nicht mehr zu übersehendes Zeichen eines unvorstellbaren Kulturverlustes, eines unumkehrbaren Abgleitens in die Unmenschlichkeit.

Der 9. November 1938 ist und bleibt ein höchst bedenkenswertes Datum in unserer jüngeren deutschen Geschichte. Denn dieser Tag steht einerseits für den vorläufigen Höhepunkt einer bereits in den fünf Jahren zuvor mit unsäglicher Konsequenz verfolgten Spirale der Ausgrenzung und der Gewalt gegen die in Deutschland lebenden Juden. Und er steht andererseits für den fanalhaften Auftakt zu noch weitaus Schlimmerem, nämlich für die geschichtlich beispiellose systematische Verfolgung und Ermordung von Juden.

Die Erinnerung daran muss uns heute dazu bewegen, nicht inhaltslose Empörungsrituale zu pflegen, sondern intensiv darüber nachzudenken, unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen und mit welchen politischen Mechanismen ‚kumulative Radikalisierungen‘ damals möglich waren und vor allem heute wieder möglich sein könnten.

Wir müssen heute mit Blick auf unsere heutige erinnerungskulturelle Arbeit daher immer wieder danach fragen, welche konkreten Erkenntnisse wir für unser heutiges politisches Handeln gewinnen können. Angesichts aktueller Gefährdungen jüdischen Lebens in unserem Land ist dies keine Nebensächlichkeit.

Wir müssen daher schonungslos sowie mit klarer Haltung, mit klaren Worten und mit größtmöglicher Zivilcourage alle aktuellen Tendenzen anprangern, welche antijüdischen Ressentiments und entsprechenden verbalen vorurteilsbelasteten Entgleisungen zunehmend zu einer neuen Salonfähigkeit verhelfen.

Bei derartigen Entwicklungen nach den Erfahrungen mit dem 9. November 1938 zu schweigen, wäre nämlich fatal geschichtslos.

Unabhängig davon, aus welchen unsäglichen Quellen sich die heutigen Erscheinungsformen von Antisemitismus speisen und wie dieser im alltäglichen Miteinander auftritt, verhöhnt dieser in unerträglicher Weise unser seit Jahren gepflegtes Ringen um eine humane Orientierung einer freien und offenen Gesellschaft unseres Landes.

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
08.11.2022

Ansprechpartner/in:
Geschäftsstelle des Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens

Nds. Justizministerium
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: (0511) 120 - 8750

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