Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 30. Januar 2025, TOP 24
Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann zu TOP 24 - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Ersatzfreiheitsstrafe gerechter gestalten, Kosten reduzieren, Resozialisierung fördern!“
Es gilt das gesprochene Wort!
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich danke den Fraktionen der SPD und der Grünen, dass sie sich so intensiv mit der Situation von Personen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, auseinandergesetzt haben – und sich dabei insbesondere mit der Frage beschäftigt haben, wie Ersatzfreiheitsstrafen vermieden werden können.
Denn in der Tat sind Ersatzfreiheitsstrafen etwas, das nicht nur die betroffene Person, sondern auch den Staat durchaus belastet: 128.220 Hafttage Ersatzfreiheitsstrafe wurden im Jahr 2023 in Niedersachsen vollstreckt. Das entspricht auf das Jahr gerechnet 351 dauerhaft belegten Haftplätzen – das ist eine mittelgroße JVA!
Die Kosten dafür kann man ganz grob auf rund 23 Mio. Euro pro Jahr – ohne Investitionskosten – schätzen.
Die Halbierung des Anrechnungssatzes im letzten Jahr – ein Tagessatz Geldstrafe entspricht jetzt nur noch einem halben Tag statt einem ganzen Tag Haft – wird das entschärfen, aber es ist trotzdem viel Geld.
Darüber hinaus bedeuten Ersatzfreiheitsstrafler für die Justizvollzugsanstalten in der Regel einen deutlich höheren Aufwand als Gefangene, die im Regelvollzug laufen – denn auch bei der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe wird das volle Aufnahmeverfahren durchlaufen – was natürlich gerechnet auf die sehr geringe Gesamtdauer der Haft ein verhältnismäßig hoher Aufwand ist. Noch dazu kommen viele derjenigen Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen in einem desolaten Zustand in die JVA – was die Vollstreckung nicht einfacher macht.
Trotzdem will ich ganz klar sagen, dass alleine die Kosten und der Aufwand der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen in einem Rechtsstaat nie ein Argument sein dürfen, die Ersatzfreiheitsstrafe abzuschaffen.
Es ist und bleibt so: Die Ersatzfreiheitsstrafe ist das Rückgrat der Geldstrafe. Wenn man die Zahlung der Geldstrafe einfach bleiben lassen könnte, ohne, dass irgendwelche Konsequenzen drohen, dann würde am Ende niemand mehr eine Geldstrafe zahlen – warum auch?!
Dann könnte man die Geldstrafe auch einfach abschaffen. Und bevor jemand auf die Idee kommt, das vorzuschlagen: Nein. Das werden wir nicht tun. Denn es gibt viele Arten von Kriminalität, die sicherlich eher am unterem Ende der Straffbarkeitsskala anzusiedeln sind – die aber gleichwohl strafwürdig sind: Einfacher Diebstahl, Betrug, einfache Körperverletzung, Beleidigung, Verleumdung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – all das sind Delikte, die je nach Hergang der Tat, nach den Tatfolgen und nach der Person und dem Vorleben des Täters durchaus mit einer Geldstrafe geahndet werden.
Und es will jawohl hoffentlich weder jemand vorschlagen, dass diese Delikte künftig komplett straffrei sein sollen – noch, dass diese Delikte demnächst alle mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden müssen. Dementsprechend brauchen wir sowohl die Geldstrafe – als auch zu ihrer Durchsetzung die Ersatzfreiheitsstrafe.
Die Ersatzfreiheitsstrafe ist aber vor allem für die Fälle vorgesehen, in denen der oder die Verurteilte die Geldstrafe mutwillig nicht zahlt – und eigentlich nicht für diejenigen Fälle, in denen die verurteilte Person dazu aufgrund einer psychischen Erkrankung, einer Abhängigkeitserkrankung oder anderer Probleme nicht in der Lage ist.
Daher ist es gut, dass die Strafprozessordnung seit dem 01.10.2023 vorsieht, dass die Verurteilten vor der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe noch einmal ausdrücklich auf Möglichkeiten zu ihrer Abwendung (insbesondere Ratenzahlung und Erbringung gemeinnütziger Arbeit) hinzuweisen sind. Das wird auch getan. Niedersachsen hilft den Verurteilten unter anderem mit drei Angeboten, ihre Geldstrafe ordnungsgemäß zu zahlen und so die Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden:
1. Der Ambulante Justizsozialdienst leistet intensive, wo nötig auch aufsuchende, Sozialarbeit. Da geht es oft darum, den Verurteilten überhaupt erst aufzuzeigen, welche Möglichkeiten zur Haftvermeidung es gibt – und dann kann man gemeinsam mit der verurteilten Person eine Lösung finden.
2. Die 14 freien Anlaufstellen für Straffälligenhilfe helfen zum Beispiel mit dem Projekt „Geldverwaltung statt Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe“ all denjenigen, die mit der Verwaltung ihrer Finanzen überfordert sind. Ich bin den Anlaufstellen sehr dankbar dafür, dass durch dieses Projekt jedes Jahr rund 30.000 Hafttage gespart werden und zusätzlich rund eine halbe Million Euro an Geldstrafen in die Landeskasse fließen.
3.Und mit dem Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ kann eine Geldstrafe auch durch gemeinnützige Arbeit abgeleistet werden.
Diese Angebote, die wir in Niedersachsen haben, sind gut – aber natürlich lohnt es sich immer und bei jeder Maßnahme zu prüfen, ob und wie sie noch besser werden kann.
Wir werden das tun und den Prüfbitten daher gerne nachkommen.
Vielen Dank.“
Artikel-Informationen
erstellt am:
30.01.2025
zuletzt aktualisiert am:
31.01.2025
Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.
Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044