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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Wahlmann zu TOP 21 „Wie hoch ist die Arbeitsbelastung der Serviceeinheiten der Gerichte und Staatsanwaltschaften?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27. März 2025


Es gilt das gesprochene Wort!

„Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich habe es bereits im letzten Jahr gesagt, als wir uns hier schon einmal auf eine Große Anfrage der CDU-Fraktion hin mit der Personalsituation in der Justiz beschäftigt haben:

Die Justiz ist eine tragende Säule unseres Rechtsstaats – und unsere Gerichte, unsere Staatsanwaltschaften und im Übrigen auch unsere Justizvollzugsanstalten und AJSD-Büros sind die Garanten für Rechtssicherheit, für Rechtsfrieden, für Gerechtigkeit.

Die niedersächsische Justiz ist mit 128 Gerichten und elf Staatsanwaltschaften im gesamten Land präsent – und das wird auch so bleiben.

Wir bieten den rechtssuchenden Bürgerinnen und Bürgern kurze Wege und sorgen für einen einfachen Zugang zur Justiz – nicht nur in den großen Städten, sondern auch in der Fläche.

Die niedersächsische Justiz ist aber nicht nur bürgernah, sondern auch stark, leistungsfähig und leistungsbereit.

Die Kolleginnen und Kollegen sorgen trotz hoher Belastung in ganz hervorragender Qualität für Recht und Rechtssicherheit.

Das ist der hohen Identifikation der Beschäftigten aller Dienste mit der Justiz, ihrer großen Eigenmotivation und ihrem überragenden Einsatz zu verdanken.

Bei uns wissen alle: Wir stehen auf der richtigen Seite.

Es ist aber auch Ausdruck der guten Zusammenarbeit über alle Dienste hinweg. Nur weil alle an einem Strang ziehen, gelingt es der Justiz so überzeugend, den Anspruch an den Rechtsstaat mit Leben zu füllen.

Und ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen in den übrigen Dienstzweigen tragen auch diejenigen in den Serviceeinheiten insgesamt zum Gelingen des Rechtsstaats bei.

• Praktisch die gesamte schriftliche Kommunikation mit der Anwaltschaft, den Bürgerinnen und Bürgern oder anderen Behörden und Gerichten läuft über die Serviceeinheiten. Ohne sie würde sich kein Schriftsatz, keine Verfügung, keine Ladung bewegen.

• Als Protokollkräfte sind sie insbesondere in den Strafverhandlungen unverzichtbar.

• Als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle sorgen sie dafür, dass Urteile nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern auch vollstreckt werden können.

• Und als Kostenbeamte übernehmen sie große Teile der finanziellen Abwicklung der Anwalts- und Gerichtskosten, aber auch der Zeugen-, Dolmetscher- und Sachverständigenentschädigung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

Sie merken: Die Serviceeinheiten sind ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Justiz.

Aber wie in der gesamten Justiz gilt auch bei ihnen, dass wir in einzelnen Bereichen seit Jahren an und manchmal über der Belastungsgrenze liegen.

Dem großen Einsatz der Kolleginnen und Kollegen ist zu verdanken, dass es dennoch in sechs Jahren nur bei sechs von 128 Gerichten einzelne Auffälligkeiten infolge von Arbeitsüberlastung gab.

Und auch im letzten Jahr war die Zahl der Überlastungsanzeigen mit Ausnahme einiger weniger Gerichte und Behörden verschwindend gering.

Das kann aber kein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen. Das Arbeiten am Anschlag in einigen Bereichen muss ein Ende haben.

Deshalb tun wir als Land Niedersachsen, was möglich ist, um den Menschen in unseren Serviceeinheiten das Leben leichter zu machen.

Dieses Hohe Haus hat dankenswerterweise mit dem Haushalt 2025 im Bereich der Serviceeinheiten 46 neue Stellen und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen. Das ist ein ganz erheblicher Zuwachs, der konkrete Entlastungen bewirken wird.

Die besonders belasteten Serviceeinheiten der Staatsanwaltschaften haben wir darüber hinaus als Justiz selbst schon im Jahr 2024 mit 20 Stellen aus weniger belasteten Bereichen unterstützt. Diese Solidaritätsaktion wird im Jahr 2025 fortgesetzt und ausgebaut.

Das große Ziel ist und bleibt dabei auch im Bereich der Serviceeinheiten PEBB§Y 1,0, das heißt eine Personalausstattung, die den Bedarf zu 100 % deckt.

Um das zu erreichen, schöpfen wir schon jetzt durchweg alle Spielräume aus.

Die Auslastung des Beschäftigungsvolumens liegt durch die Bank im Bereich von 99 Prozent. Wo vorhandene Budgetspielräume es uns erlauben, überschreiten wir sogar die 100 Prozent-Marke. Wir nutzen also jede Möglichkeit, Personal an Bord zu holen, die der Haushalt uns gibt.

Deshalb ist auch der reine Blick auf die Stellensituation so irreführend: Wo wir Stellen für Beamtinnen und Beamte nicht besetzen, heißt das nicht, dass diese Personen fehlen.

Sondern wir nutzen die entsprechenden Kapazitäten für Tarifbeschäftigte. In einigen Bereichen haben wir sogar überwiegend Tarifbeschäftigte, etwa in der Arbeitsgerichtsbarkeit oder am Finanzgericht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

neue Stellen und Beschäftigungsmöglichkeiten sind natürlich nur die halbe Miete. Wir wollen diese auch mit gut ausgebildeten, motivierten Kolleginnen und Kollegen besetzen können.

Deshalb haben wir mit dem Haushalt 2025 neben den 46 neuen Stellen auch noch 15 zusätzliche Stellen für Sekretäranwärterinnen und Sekretäranwärter geschaffen, also für unsere Auszubildenden in der Beamtenlaufbahn der Serviceeinheiten. Damit können wir allein im Jahr 2025 insgesamt 182 junge Kolleginnen und Kollegen als Anwärterinnen und Anwärter aufnehmen.

Der Personalaufwand für ihre Ausbildung summiert sich im Jahr auf gut 107 Vollzeitstellen. Nur zur Einordnung: Das entspricht fast dem Personalbestand des gesamten Amtsgerichts Hannover in den Serviceeinheiten!

Das zeigt sehr deutlich, wie wichtig uns der Nachwuchs ist.

Gleichzeitig ist das Bessere immer der Feind des Guten. Wir haben deshalb mehrere Projektgruppen eingesetzt, die sich um eine moderne Nachwuchsgewinnung genauso kümmern wie um eine Reform der Ausbildungsinhalte.

So wollen wir noch mehr junge Menschen für die Laufbahn als Justizfachwirtin bzw. als Justizfachwirt gewinnen. Denn gerade in den großen Städten und ihrem Umland sehen wir, dass der Konkurrenzkampf um die guten Köpfe hart ist.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

es geht uns aber nicht alleine um den Nachwuchs.

Wir sind stolz auf unsere bestehenden Kräfte – und wir wollen sie halten.

Deshalb haben wir mit dem Haushalt 2025 durch 145 Stellenhebungen 251 Beförderungen im Beamtenbereich ermöglicht. Davon sind 229 Beförderungen aus dem zentralen Haushalt finanziert.

Das ist eine absolut einmalige Dimension, die es so jedenfalls seit vielen Legislaturperioden nicht gegeben hat, wahrscheinlich noch nie. Wir schaffen damit Anerkennung und schließen ein großes Stück der Einkommenslücke gegenüber den Tarifbeschäftigten, die seit einem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts fast durchweg bereits nach Entgeltgruppe 9a vergütet werden.

Wenn es um wertschätzenden Umgang geht, geht es aber natürlich nicht allein um Geld. Es geht auch um die Gesundheit und die Sicherheit der Bediensteten.

Im Jahr 2023 wurden knapp 200 Vorfälle gemeldet, bei denen Bedienstete bei Gerichten und Staatsanwaltschaften – über alle Dienstzweige hinweg – beleidigt, bedroht oder gar körperlich angegangen wurden. Meistens trifft es naturgemäß Wachtmeisterinnen und Wachtmeister.

Jeder dieser Vorfälle ist ein Angriff auf eine Kollegin oder einen Kollegen, die oder der für den Rechtsstaat im Einsatz war.

Das wollen und das werden wir nicht tatenlos hinnehmen.

Bis Ende letzten Jahres haben deshalb alle Gerichte und Staatsanwaltschaften in Niedersachsen mit Unterstützung aus meinem Haus lokale Sicherheitskonzepte entwickelt.

Wir investieren zudem fortlaufend in Sicherheitstechnik und moderne Eingangsschleusen. Erst vor wenigen Wochen durfte ich am Amtsgericht Papenburg einen weiteren modernisierten und auf den aktuellen Sicherheitsstandard gebrachten Eingangsbereich einweihen.

Auch die erhebliche Zahl an Sicherheitskameras, die in der Anfrage aufgelistet sind, belegt das.

Hinzu kommen umfassende, erst kürzlich aktualisierte Fortbildungs- und Schulungsangebote, um die Bediensteten bestmöglich auf kritische Situationen vorzubereiten.

Bei der Gesundheitsfürsorge kann der hohe Krankenstand im Bereich der Serviceeinheiten keinen von uns kalt lassen.

22 Krankheitstage jährlich waren es zuletzt im Mittel – das ist fast ein ganzer Arbeitsmonat. Natürlich: Darunter sind viele Langzeiterkrankte und eine steigende Zahl an Krankheitstagen ist kein exklusives Problem der Justiz.

Aber auch hier gilt: Wir wollen und wir werden das nicht einfach hinnehmen. Wir haben deshalb nicht erst seit gestern ein eigenes Gesundheitsmanagement. Bewegungsangebote gehören genauso dazu wie Impfangebote etwa gegen Grippe. Aktuell evaluieren wir dieses Gesundheitsmanagement und bitten unsere Bediensteten um ihre Meinung und ihre Verbesserungsvorschläge.

Auch hier gilt also: Wir tun schon viel und wir wollen noch mehr tun, um unseren Bediensteten ein bestmögliches, gesundes Arbeitsumfeld zu bieten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,

Digitalisierung – das große Thema der Justiz in diesen Jahren macht natürlich auch vor den Serviceeinheiten nicht halt.

Bei allen Vorteilen der Digitalisierung will ich nicht verschweigen, dass die Umstellungsphase in vielen Bereichen mit Reibungsverlusten und temporären Mehrbelastungen verbunden ist – und das insbesondere in den Serviceeinheiten, die die Hauptprotagonisten der Umstellung sind.

Bei der laufenden Einführung der e-Akte ändern sich gerade für die Menschen in den Serviceeinheiten viele Abläufe und Arbeitsweisen fundamental.

Früher bestand ein Großteil der Arbeit darin, die Kreuzchen und handschriftlichen oder getippten Verfügungen, Vermerke und Anmerkungen der Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen, Staatsanwälte, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger aus den papiernen Formularen in die entsprechenden Musterschreiben zu übernehmen, diese auszufertigen und in die Post zu geben.

Heute dagegen müssen oft diverse Klicks in genau der richtigen Reihenfolge gesetzt werden, bis aus einer Verfügung ein versandfähiges elektronisches Schreiben entsteht.

Natürlich – das System nimmt viel lästige Arbeit wie das Durchnummerieren der Aktenblätter ab.

Aber der ganze Ablauf setzt viel mehr technisches Verständnis voraus als bisher. Und trotz aller Anstrengungen unserer Entwicklerinnen und Entwickler ist das nicht immer schon so intuitiv, wie wir es uns wünschen.

Das alles macht die Arbeit in der Summe nicht unbedingt komplexer, anstrengender oder schwieriger als früher.

Im Gegenteil.

Auf Dauer wird die e-Akte für alle Beteiligten Erleichterungen bringen, davon bin ich fest überzeugt.

Von denen, die die Umstellung schon länger hinter sich haben, höre ich immer wieder: Wir wollen auf keinen Fall zurück zur Papierakte.

Aber bis dahin ist und bleibt es eine Riesen-Anpassungsleistung. Das gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass manche der Kolleginnen und Kollegen, die nun mit der e-Akte arbeiten sollen, einst noch an der Schreibmaschine gelernt haben.

Unser Anspruch ist es, gerade auch diese Kolleginnen und Kollegen, die einen immensen Wissens- und Erfahrungsschatz mitbringen, beim Umstieg erfolgreich mitzunehmen.

Dafür tun wir sehr viel.

Mit dem Haushalt 2024 ist der Zentrale IT-Betrieb der Justiz (ZIB) um rund 25 Stellen und Beschäftigungsmöglichkeiten gestärkt worden. Im Verlauf des Jahres 2025 kommen noch einmal 23 Beschäftigungsmöglichkeiten dazu.

Diese personelle Verstärkung wird in erheblichem Umfang dazu genutzt, Betriebs-, Schulungs- und Supportkapazitäten auszubauen, um die Kolleginnen und Kollegen an den Gerichten und Staatsanwaltschaften bestmöglich unterstützen zu können.

Wir investieren aber auch in die Technik. Nicht nur verfügen alle Serviceeinheiten grundsätzlich schon heute über mindestens zwei Bildschirme am Arbeitsplatz.

Wir statten die Serviceeinheiten auch sukzessive mit Laptops anstelle der bisherigen Desktop-PCs aus. Das verursacht Mehrkosten von gut einer Million Euro im Jahr. Aber das ist es uns wert, um auch den Menschen in den Serviceeinheiten in weit größerem Umfang als bisher Home Office und mobiles Arbeiten zu ermöglichen – auch das ist übrigens ein wichtiger Faktor, der uns als Arbeitgeberin attraktiv macht.

Und schließlich verlieren wir auch die Veränderungen in der Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung nicht aus dem Blick. Ab 2027 wird es eine vollständige PEBB§Y-Neuerhebung geben, um das Personalbedarfsbemessungssystem an die digitale Arbeitsweise anzupassen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

ohne die vielen großartigen Menschen in unseren Serviceeinheiten könnte die niedersächsische Justiz nicht ansatzweise die gute Arbeit abliefern, die sie jeden Tag leistet.

Dafür verdienen die dortigen Kolleginnen und Kollegen durch die Bank unseren höchsten Respekt.

Deshalb arbeiten wir als Justiz insgesamt und ich ganz persönlich fortlaufend daran, für die Menschen in unseren Serviceeinheiten bestmögliche Arbeitsbedingungen und eine faire Vergütung sicherzustellen.

Der Haushalt 2025 mit seinen breit angelegten Stellenhebungen, dem erneuten deutlichen Ausbau der Schulungs- und Supportkapazitäten im Bereich IT und den deutlichen Stellenzuwächsen im ehemaligen mittleren Dienst – für fertig ausgelernte Kräfte genauso wie für Anwärterinnen und Anwärter – ist dafür das beste Beispiel.

Mit Blick auf die kommenden Jahre kann ich dieses Hohe Haus nur darum bitten, uns weiter auf diesem Weg zu unterstützen.

Jeder Euro mehr für unsere Serviceeinheiten ist eine Investition in einen zukunftsfesten Rechtsstaat.

Vielen Dank!“

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
27.03.2025

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044

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