Logo Niedersächsisches Justizministerium: zur Startseite Niedersachsen klar Logo

Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann zur Dringlichen Anfrage der Fraktion der AfD zu den Ermittlungen gegen einen Hannoveraner Staatsanwalt

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27. Februar 2025


Es gilt das gesprochene Wort!

„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich kann mich in dieser Sache nur wiederholen: Wir haben in Niedersachsen knapp 16.000 Beschäftigte in der Justiz, einschließlich des Justizvollzugs. Nahezu alle dieser Beschäftigten – von der Richterin bis zum Wachtmeister – arbeiten mit sehr hohem Engagement und einer herausragenden persönlichen Integrität für die Sache – und unsere Sache ist die Gerechtigkeit.

Von diesen 16.000 Menschen steht nun ein einzelner Staatsanwalt im Fokus. Ein Staatsanwalt, der im Verdacht steht, sich strafbar gemacht zu haben. Ich wage mal zu behaupten, dass der Prozentsatz der schwarzen Schafe innerhalb der Justiz verhältnismäßig gering ist – aber es gibt sie und vermutlich wird es sie auch immer geben. Ich verwehre mich aber energisch dagegen, dass deswegen die gesamte niedersächsische Justiz aus politischem Kalkül oder für ein paar billige Klicks in den Dreck gezogen wird.

Die niedersächsische Justiz ist die Garantin der Gerechtigkeit in unserem Land – das ist so und das wird auch so bleiben.

Aber weil auch die Justiz zu meinem großen Bedauern nicht davor gefeit ist, in seltenen Fällen ein schwarzes Schaf in ihren Reihen vorzufinden, ist es doch umso entscheidender, dass es uns gelingt, diejenigen, die nicht nach den Regeln spielen, zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen. Und wie dieser Fall zeigt, gelingt uns das.

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat die zwischenzeitlich eingestellten Ermittlungen wieder aufgenommen. Sie hat einen Haftbefehl erwirkt und vollstreckt. Der Beschuldigte sitzt deshalb seit letztem Oktober in Untersuchungshaft.

Die nunmehr zuständige Staatsanwaltschaft Osnabrück hat binnen kürzester Zeit eine über 300-seitige Anklageschrift verfasst und Anklage zum Landgericht Hannover erhoben.

Die vorliegende Anfrage ignoriert jedoch diese konsequente Ermittlungsarbeit und stellt die fast 16.000 Bediensteten der niedersächsischen Justiz wegen des mutmaßlichen Fehlverhaltens eines Einzelnen unter den Generalverdacht der Korruptionsgeneigtheit. Das ist unredlich und ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die jeden Tag dafür sorgen, dass wir in einem gerechten und sicheren Land leben dürfen.

Gleichzeitig versucht die AfD-Fraktion mit dieser Anfrage, ebenso wie mit der Aktuellen Stunde eben, die hervorragende Arbeit der niedersächsischen Staatsanwaltschaften insgesamt schlechtzumachen. Dafür fehlt mir jedes Verständnis!

Die Staatsanwaltschaften in unserem Land leisten aktuell an vielen Stellen Überobligatorisches und halten trotz eines erheblich gestiegenen Fallaufkommens die Verfahrenslaufzeiten stabil. Wir alle sollten den Staatsanwaltschaften dafür höchsten Respekt zollen – und sie in ihrer Arbeit unterstützen. So, wie wir es getan haben, indem mein Haus für 2024 und – in noch größerem Umfang – für 2025 erhebliche justizinterne Verstärkung für die Staatsanwaltschaften organisiert hat. Und wie es die Mehrheit in diesem Hohen Haus getan hat, indem sie mit dem Haushalt 2025 die Staatsanwaltschaften massiv personell verstärkt hat. Statt Einzelfälle zu skandalisieren, sollten Sie lieber die gute Arbeit all derjenigen würdigen, die Tag für Tag für den Rechtsstaat im Einsatz sind.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Frage 1 lautet:

„Welche präventiven Schritte plant die Landesregierung, um die Integrität der Justizbehörden gegen zukünftige Korruptionsfälle zu schützen?“

Insoweit muss die Landesregierung nichts planen. Für die gesamte Landesverwaltung gilt seit vielen Jahren die „Richtlinie zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung“, kurz Antikorruptionsrichtlinie. Diese ist für jedermann im Internet einsehbar. Sie umfasst unter anderem organisatorische Maßnahmen und Verhaltensmaßregeln zur Verhinderung und Aufdeckung von Korruptionsfällen.

Dazu kommen Maßnahmen wie die Bestellung örtlicher Anti-Korruptionsbeauftragter. Die Justiz setzt diese Richtlinie konsequent um. Wo sich Hinweise auf Fehlverhalten ergeben, werden diese selbstverständlich strafrechtlich und disziplinar- bzw. arbeitsrechtlich verfolgt und geahndet. Außerdem haben wir auch die seit dem Jahr 2023 bestehende Pflicht, eine Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz einzurichten, vollständig umgesetzt.

Über unsere Meldestelle im Justizministerium können Bedienstete nun, auf Wunsch auch anonym, Verstöße gegen Rechtsvorschriften melden oder offenlegen. Diesen Meldungen wird entsprechend der gesetzlichen Regelungen nachgegangen.

Wir ergreifen zudem konkrete Schritte, um die Integrität der einzelnen Bediensteten sicherzustellen. Bei Neueinstellungen für den höheren Justizdienst sind Bewerberinnen und Bewerber verpflichtet zu versichern, dass ihre wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet, sie nicht gerichtlich bestraft und aktuell keine Ermittlungsverfahren gegen sie anhängig sind. Zudem müssen sie erklären, mit einer Überprüfung durch das Landesamt für Verfassungsschutz einverstanden zu sein.

Bei Bediensteten mit Zugang zu besonders sensiblen Daten finden entsprechende Überprüfungen nach dem Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (Nds. SÜG) statt. Das sind etwa Personen, die mit Staatsschutzangelegenheiten befasst sind.

Bei sensiblen staatsanwaltschaftlichen Verfahren kann im Übrigen schon jetzt in den elektronischen Systemen eine Zugriffssperre gesetzt werden. So können nur die Bediensteten auf die Daten zugreifen, die zwingend Zugang haben müssen. Von diesen „Verfahrenssperren“ wird in allen niedersächsischen Staatsanwaltschaften durchgehend Gebrauch gemacht.

Um es ganz deutlich zu sagen: Es gibt keine Hinweise darauf, dass wir ein Korruptionsproblem in der Justiz hätten – und wir tun alles, damit das so bleibt.

Frage 2 lautet:

„Der unter Korruptionsverdacht stehende Staatsanwalt soll vor 2014 in eine Schlägerei im Türstehermilieu verwickelt gewesen sein. Das Ermittlungsverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldstrafe eingestellt. Wie erklärt die Landesregierung, dass er trotz guter Examensnoten bei der Staatsanwaltschaft zuerst abgelehnt, später aber doch eingestellt worden ist, und warum wurde die mutmaßliche Beteiligung an der vorgenannten Schlägerei nicht (mehr) als Ausschlusskriterium für eine Tätigkeit als Staatsanwalt eingeordnet? Ist bekannt, wer eine Einstellung trotz des Ermittlungsverfahrens befürwortet und durchgesetzt hat?“

Hierzu zwei Klarstellungen vorweg.

Erstens:

Eine Einstellung gegen Geldstrafe kennt das deutsche Recht nicht. Allenfalls kann es eine Einstellung gegen Auflagen geben.

Zweitens will ich nochmal betonen, dass ich den Staatsanwalt weder eingestellt noch aus Berlin übernommen habe.

Ungeachtet dessen ist es mir ein wichtiges Anliegen, diese Angelegenheit aufzuklären – schon im Interesse der vielen integren Beschäftigten in der Justiz.

Vor diesem Hintergrund lässt sich zum Werdegang des beschuldigten Staatsanwalts Folgendes sagen: Sein ursprüngliches Gesuch auf Einstellung in den höheren Justizdienst des Landes Niedersachsen wurde im Jahr 2014 abgelehnt.

Zuständig hierfür war das Oberlandesgericht Celle, das für seinen Bezirk die Einstellungen in den höheren Justizdienst für die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften vornimmt. Die Gründe für die Ablehnung des Einstellungsgesuchs sind dem Justizministerium nicht mehr bekannt. Die entsprechenden Akten sind aufgrund des Ablaufs der Aufbewahrungsfristen längst vernichtet.

Ebenfalls längst vernichtet sind und waren aufgrund des Ablaufs der Aufbewahrungsfristen mögliche Akten zu Strafverfahren gegen den Betreffenden aus der Zeit vor dem Jahr 2014.

Sie können sich sicher sein, dass ich diese Akten auch gerne hätte – es gibt sie aber nicht mehr.

Der betreffende Staatsanwalt wurde dann im Jahr 2014 in den staatsanwaltschaftlichen Dienst des Landes Berlin eingestellt. Aus den Personalakten aus Berlin geht hervor, dass er im dortigen Einstellungsinterview von sich aus offenlegt hatte, dass einige Jahre zuvor ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Körperverletzung gegen eine Auflage eingestellt worden war.

Im Jahr 2017 wurde der beschuldigte Staatsanwalt in Berlin zum Staatsanwalt auf Lebenszeit ernannt. Im Jahr 2019 wurde er in den Geschäftsbereich des Niedersächsischen Justizministeriums abgeordnet und hier bei der Staatsanwaltschaft Hannover eingesetzt.

Die Abordnung erfolgte mit dem Ziel der Versetzung. Ob in dem zuvor geführten sogenannten Übernahmeinterview das frühere Ermittlungsverfahren thematisiert wurde, ist den Personalakten nicht zu entnehmen.

Im Sommer 2020 erfolgte die dauerhafte Versetzung des beschuldigten Staatsanwalts in den Geschäftsbereich des Niedersächsischen Justizministeriums.

Obwohl unklar ist, warum der Beschuldigte ursprünglich in Niedersachsen nicht eingestellt wurde und ob dies bei seiner Abordnung bzw. Versetzung Thema war, ist jedenfalls sicher, dass bei der Übernahme kein Auszug aus dem Bundeszentralregister angefordert wurde – das wurde damals generell nicht gemacht.

Aus Anlass dieses Falles habe ich angeordnet, dass ab sofort auch bei Versetzungsbewerberinnen und -bewerbern aus anderen Bundesländern in allen Fällen ein Auszug aus dem Bundeszentralregister eingeholt wird.

Frage 3 lautet:

„Wie bewertet die Landesregierung die Einstellung des Ermittlungsverfahrens im Jahr 2022, und erkennt sie in diesem Zusammenhang Verdachtsmomente für das Vorliegen von Amtsdelikten daran beteiligter Personen wie etwa der Leiterin der Staatsanwaltschaft Hannover?“

Hierzu ist zunächst der Ablauf richtigzustellen:

Nach dem bisherigen Erkenntnisstand ergaben sich im Jahr 2021 erstmals Hinweise darauf, dass im Rahmen der Ermittlungen gegen einen mutmaßlichen Ring von Betäubungsmittelschmugglern vertrauliche Informationen an die Beschuldigten verraten worden waren. Die Staatsanwaltschaft Hannover und das Landeskriminalamt nahmen daraufhin sofort Ermittlungen auf. Im Verlauf dieser Ermittlungen ergaben sich im Jahr 2022 Verdachtsmomente gegen den nun beschuldigten Staatsanwalt.

Diese führten im Juni 2022 zur Einleitung eines zunächst verdeckt geführten Ermittlungsverfahrens.

Am 23.11.2022 erfolgte eine Durchsuchung des Büros und der privaten Wohnräume des beschuldigten Staatsanwalts. Trotz weiterer Ermittlungen kam die Staatsanwaltschaft Hannover Ende 2023 zu dem Ergebnis, dass bisher kein hinreichender Tatverdacht einer Straftat bestehe und stellte das Ermittlungsverfahren vorerst ein.

Parallel wertete das Landeskriminalamt Niedersachsen weitere Beweismittel aus, insbesondere weitere entschlüsselte Krypto-Chats. Nachdem sich hieraus neue Verdachtsmomente gegen den beschuldigten Staatsanwalt ergeben hatten, wurden die Ermittlungen gegen ihn im Juni 2024 erneut – zunächst verdeckt – wieder aufgenommen. Im Oktober 2024 wurde von der Staatsanwaltschaft Hannover Haftbefehl gegen den Beschuldigten beantragt. Dieser wurde vom Amtsgericht Hannover erlassen und noch im Oktober vollstreckt. Anfang 2025 wurde von der nunmehr zuständigen Staatsanwaltschaft Osnabrück Anklage zum Landgericht Hannover wegen 14 Taten erhoben.

Festzuhalten ist damit, dass die Suche nach der mutmaßlichen „undichten Stelle“ auch nach der zwischenzeitlichen Einstellung des Verfahrens gegen den nun beschuldigten Staatsanwalt nicht beendet wurde. Dadurch ist es letztlich gelungen, den Tatverdacht zu erhärten, den Beschuldigten in Haft zu nehmen und Anklage gegen ihn zu erheben.

Ungeachtet dessen habe ich angeordnet, dass Ermittlungsverfahren gegen Justizbedienstete künftig stets an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Bei Verfahren wegen des Verdachts von Dienstgeheimnissen erfolgt die Abgabe sogar unabhängig davon, ob konkrete Verdachtsmomente gegen bestimmte Justizbedienstete vorliegen. Damit wird künftig jeder Verdacht einer Voreingenommenheit vermieden, weil womöglich gegen „eigene Leute“ ermittelt werden muss.

Um es aber noch einmal zu betonen: Es ist der Arbeit der Staatsanwaltschaft Hannover und des Landeskriminalamtes zu verdanken, dass sich der Tatverdacht gegen den Beschuldigten überhaupt erhärtet hat und dieser in Untersuchungshaft genommen werden konnte.

Zum letzten Teil der Frage kann ich sagen, dass die Verfolgung von Straftaten generell nicht Aufgabe der Landesregierung, sondern Aufgabe der zuständigen Strafverfolgungsbehörden ist. Sollte sich insoweit ein Anfangsverdacht ergeben, werden entsprechende Ermittlungen aufgenommen werden.

Vielen Dank!

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
27.02.2025

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln