Logo Niedersächsisches Justizministerium: zur Startseite Niedersachsen klar Logo

Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann zu TOP 30 „Vertrauen in den Rechtsstaat stärken - Strafjustiz entlasten! Möglichkeiten des beschleunigten Verfahrens nach §§ 417 ff. StPO besser nutzen“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 26. September 2024


Es gilt das gesprochene Wort!


„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

manchmal fragt man sich ja, mit wem die Erstellerinnen und Ersteller von Entschließungsanträgen sich eigentlich beraten, bevor sie einen Antrag einbringen. Dieser Antrag jedenfalls enthält genügend Gründe, sich diese Frage zu stellen, dass ich mich direkt in der ersten Beratung dazu äußern will.

Das beginnt mit den Zahlen. Ja, wir haben einzelne Staatsanwaltschaften, bei denen auch ich mir wünschen würde, wenn sie mehr Fälle im beschleunigten Verfahren behandeln würden. Aber: Um Einzelfälle geht es in dem Erschließungsantrag gar nicht. Und es ärgert mich jedes Mal auf’s Neue, wenn aus politischen Motiven die Erfolge der niedersächsischen Justiz kaputtgeredet werden. Deshalb ganz klar und deutlich: Niedersachsen ist bundesweit ganz vorne dabei, was beschleunigte Verfahren angeht. Niedersachsens Amtsgerichte haben im Jahr 2023 rund 8,8 % aller amtsgerichtlichen Strafverfahren in Deutschland erledigt. Von allen beschleunigten Verfahren bundesweit haben sie dagegen gut 15,6 % erledigt. Der Anteil der beschleunigten Verfahren liegt mit anderen Worten bei 180 % des Bundesdurchschnitts – 180 %! Schon deshalb kann von einem niedersachsenweiten Nachholbedarf ganz sicher keine Rede sein. Angezeigt wäre es stattdessen, die Leistung der Kolleginnen und Kollegen hier im Land anzuerkennen, die die beschleunigten Verfahren mit großem Einsatz so energisch betreiben.

Mit wem auch immer die Damen und Herren von der CDU gesprochen haben, um diesen Antrag vorzubereiten: Strafrechtspraktiker können es jedenfalls nicht gewesen sein. Dass beschleunigte Verfahren die Staatsanwaltschaften entlasten würden, geht nämlich absolut an der Realität vorbei. Um wenige Stunden nach der Tat den Täter vor Gericht zu stellen und zu verurteilen, müssen alle Beteiligten sich wirklich reinhängen und entschlossen an einem Strang ziehen: Die Polizei muss sofort die Staatsanwaltschaft informieren, die Staatsanwaltschaft muss sofort den Antrag verfassen und rausbringen, das Gericht muss quasi sofort einen Verhandlungstermin ansetzen, d.h. neben einem Raum auch Richterin oder Richter, Protokollkraft etc. bereitstellen. Ggf. muss auch noch kurzfristig eine Verteidigerin oder ein Verteidiger gefunden werden. Das ist mit Sicherheit nicht weniger Arbeit, als wenn alles in Ruhe geplant und miteinander abgestimmt wird, so wie in regulären Verfahren. Beschleunigte Verfahren sind trotzdem ein Wert an sich, weil man so den Tätern sofort die rote Karte zeigen kann. Die Staatsanwaltschaften entlasten tun sie aber sicher nicht.

Soweit der Antrag auch Vorgaben der Landesregierung zur Geschäftsverteilung in den Gerichten vorsieht, empfehle ich einen Blick ins Grundgesetz – Stichwort richterliche Unabhängigkeit.

Kommen wir also zur einzigen konkreten Forderung des Antrags: der Bündelung der beschleunigten Verfahren bei den Amtsgerichten am Sitz der jeweiligen Staatsanwaltschaften. Ich weiß ja nicht, wer Sie in diesem Fall beraten hat – aber ich muss Ihnen leider sagen: Sie kommen zu spät. Genau das – und zwar die Konzentration der beschleunigten Verfahren beim Amtsgericht am Sitz des Landgerichts oder bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die den Antrag stellende Zweigstelle der Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat – ist nicht nur längst geplant, sondern bereits in Umsetzung. Ich habe den entsprechenden Verordnungsentwurf bereits vor einiger Zeit zur Stellungnahme durch den Geschäftsbereich freigegeben. Wenn sich daraus keine grundlegenden Bedenken ergeben, die bisher nicht berücksichtigt wurden, wird die Verordnung zum 01. November 2024 in Kraft treten. Wir wollen damit unseren hoch belasteten Staatsanwaltschaften die Möglichkeit geben, möglichst einfach beschleunigte Verfahren durchzuführen. Absprachen werden vereinfacht und Fahrtzeiten entfallen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die ohnehin gute Bilanz bei den beschleunigten Verfahren damit weiter verbessern werden.

Also: Schön, dass der Entschließungsantrag uns hier zustimmt. Neues bringt der Antrag in dieser Hinsicht nicht.

Herzlichen Dank!“

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
26.09.2024

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln