Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann zu TOP 21 „Antisemitismus bekämpfen, Demokratie stärken und verteidigen!“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18. April 2024
Es gilt das gesprochene Wort!
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
in Niedersachsen ist kein Platz für Antisemitismus.
Das gilt vor dem Hintergrund des Holocaust.
Das gilt vor dem Hintergrund der Verbrechen unserer Vorfahren gegenüber dem jüdischen Volk.
Das gilt vor dem Hintergrund des Angriffs der Hamas auf Israel.
Das gilt vor dem Hintergrund des Angriffs des Iran auf Israel.
Das gilt vor dem Hintergrund der weltpolitischen Lage.
Das gilt allgemein und generell.
Deutschland ist ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat. Das Grundgesetz postuliert in Art. 4 die Unverletzlichkeit der Religionsausübung. Den Staat trifft daraus die Pflicht, eine offene, übergreifende Haltung für alle Glaubensbekenntnisse zu schaffen.
Und über die konkrete Regelung des Art. 4 des Grundgesetzes hinaus trifft uns alle sowohl moralisch als auch politisch die Pflicht, jüdische Religion und jüdische Kultur in unserem Land zu unterstützen und zu fördern – und ganz selbstverständlich und dem vorausgehend – Jüdinnen und Juden vor Angriffen jedweder Art zu schützen und entsprechende Straftaten zu verfolgen und zu ahnden. Das tut das Land Niedersachsen – das tut diese Landesregierung – konsequent und entschlossen.
Noch im Oktober letzten Jahres habe ich per Erlass sämtliche Staatsanwaltschaften in Niedersachsen angewiesen, Verfahren mit antisemitischem Hintergrund und bzw. oder einem davon unabhängigen Bezug zu den jüngsten Angriffen der Hamas, der Hisbollah und anderer Organisationen auf den Staat Israel grundsätzlich nicht mehr aus Opportunitätsgründen einzustellen.
Das bedeutet, dass eine Einstellung von derartigen Verfahren wegen Geringfügigkeit grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt – und grundsätzlich auch nicht gegen Auflagen.
Das ist keine Symbolpolitik. Damit wollen wir nicht nur ein Zeichen setzen.
Nein, wir handeln aus der tiefen Überzeugung, dass eine Einstellung solcher Verfahren – auch gegen Auflagen – angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung nicht gerecht wird.
Und wer auch immer vor einigen Tagen den – glücklicherweise grandios gescheiterten – Brandanschlag auf die Synagoge in Oldenburg verübt hat, den wird die niedersächsische Polizei energisch verfolgen. Und wenn sie ihn ermittelt hat, dann werden wir ihn zur Rechenschaft ziehen.
In diesem Zusammenhang ist es übrigens zutiefst beruhigend, dass in Reaktion auf diesen Brandanschlag kurzfristig zwischen 400 und 500 Menschen in Oldenburg zusammengekommen sind, um ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zu demonstrieren – darunter auch der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil und die Landtagspräsidentin Hanna Naber, die auch auf der Kundgebung gesprochen hat.
Zum Erkennen antisemitischer Straftaten hat das in meinem Haus angesiedelte Landes-Demokratiezentrum einen Leitfaden entwickelt, damit auch bei verstecktem Antisemitismus auch Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger in allen relevanten Berufen – Polizei, Justiz, Schulen, und andere – hinreichend sensibilisiert sind.
Als niedersächsische Landesregierung haben wir im Herbst letzten Jahres die Antisemitismusdefinition der IHRA, der International Holocaust Remembrance Alliance, angenommen und sie zur Grundlage unseres Regierungshandelns gemacht. Damit haben wir ressortübergreifend einen einheitlichen Arbeitsbegriff geschaffen, der in der Ausbildung von Polizei und Justiz, von Lehrkräften und anderem Personal des öffentlichen Dienstes eingesetzt werden kann, um die Sensibilität für alle Erscheinungsformen von Antisemitismus zu verbessern.
Vorsicht ist besser als Nachsicht. Prävention ist besser als der Umgang mit Straftaten.
Als niedersächsische Landesregierung haben wir uns daher neben der Strafverfolgung auch die Prävention von Antisemitismus auf die Fahne geschrieben.
Neben zahlreichen Maßnahmen im Bereich der Schulen, die das Kultusministerium vorbereitet, nimmt in meinem Bereich, in dem auch der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens angesiedelt ist, insbesondere das Landes-Demokratiezentrum eine entscheidende Rolle ein.
Über das Landes-Demokratiezentrum fördern wir zahlreiche Präventionsprojekte und Engagement gegen Antisemitismus, darunter zum Beispiel
- die landesweite Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Niedersachsen – besser bekannt unter der Abkürzung RIAS,
- das „Empowermentprojekt“ des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden, das jüdisches Leben in Niedersachsen sichtbar macht
- und auch das Projekt „Antisemitismus als Herausforderung muslimischer Communities“ – und viele mehr.
Wir unternehmen als Land Niedersachsen viel zum Schutz von Jüdinnen und Juden, zum Schutz jüdischer Religion, jüdischer Identität und jüdischer Kultur.
Und wir werden nicht nachlassen. Wir werden weiter präventiv wirken. Wir werden antisemitische Straftaten weiterhin sehr entschlossen verfolgen und konsequent bestrafen.
Und wir werden uns weiterhin vor die in Niedersachsen und darüber hinaus lebenden Jüdinnen und Juden stellen.
Es bleibt dabei: Antisemitismus hat keinen Platz in Niedersachsen.
Vielen Dank.“
Ministerin Wahlmann im Landtag
Artikel-Informationen
erstellt am:
18.04.2024
Ansprechpartner/in:
Frau Verena Brinkmann
Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 5044