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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann im Niedersächsischen Landtag zu Situation von häuslicher Gewalt Betroffener verbessern - Modellprojekt „Psychosoziale Prozessbegleitung in Gewaltschutzverfahren“ fördern und umsetze

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28. August 2024, TOP 11


Es gilt das gesprochene Wort!


„Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

häusliche Gewalt: Dieser Begriff beschreibt nur unzureichend, was tausende Menschen in unserem Land jedes Jahr erleben müssen – laut Polizeilicher Kriminalstatistik im letzten Jahr mehr als 22.000 mal:

Das eigene Zuhause ist nicht mehr sicher.

Der Partner, die Partnerin wird plötzlich zum Täter.

Ein Ort der Geborgenheit wird zu einem Ort der Bedrohung.

Das wollen und werden wir nicht einfach hinnehmen.

Als Landesregierung verfolgen wir einen ganzheitlichen, ressortübergreifenden Ansatz, um häusliche Gewalt zu verhindern und die Opfer zu unterstützen. Mit

· dem Aktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt in Paarbeziehungen,

· der Koordinierungsstelle „Häusliche Gewalt“ beim Landespräventionsrat

· und den Beratungs- und Interventionsstellen

haben wir ein umfassendes Präventions- und Hilfsangebot.

Wir wollen als Justiz aber auch entschlossen gegen die Täter vorgehen.

Dazu gehört eine konsequente strafrechtliche Verfolgung, Ahndung und Vollstreckung.

Dazu gehört aber auch der konsequente Erlass von Gewaltschutzanordnungen: Der Täter muss weg aus der gemeinsamen Wohnung.

Wo nötig, muss es sofortige Annäherungs- und Kontaktverbote geben. Nur so können wir die Opfer effektiv vor weiterer Gewalt schützen und den Tätern unmittelbar deutlich machen: So nicht!

Der Weg zu einer Gewaltschutzanordnung verlangt den Opfern allerdings einiges ab.

Sie müssen einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht stellen – und das heißt auch: Schildern, was einem widerfahren ist, unter Umständen sogar mehrmals im Verlauf des Verfahrens. Man braucht wenig Phantasie, um sich vorzustellen, was das bedeutet:

Die Tat wird noch einmal durchlebt.

Die Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein werden oft ähnlich intensiv durchlebt wie bei der Tat selbst.

Im schlimmsten Fall droht eine Retraumatisierung.

Im Strafverfahren haben wir in Niedersachsen seit Jahren ein fest verankertes Konzept, um die Opfer von Straftaten in diesen Situationen so gut wie möglich zu unterstützen:

Die psychosoziale Prozessbegleitung durch speziell ausgebildete Prozessbegleiterinnen und -begleiter hilft Opfern von Straftaten vor, während und gegebenenfalls auch nach einem Strafverfahren.

Vor dem Verfahren erklären die Begleiterinnen dem Opfer, wie ein Strafprozess abläuft, wer welche Rolle einnimmt und was grundsätzlich erwartet werden kann.

Das nimmt die Angst vor dem Unbekannten. Und es nimmt auch das Gefühl, bloßes Objekt eines Prozesses zu sein.

Im Prozess selbst begleiten die Prozessbegleitenden das Opfer – dann in der Rolle der Zeugin oder des Zeugen – in die Verhandlung und nehmen ein Stück von der Angst, der Situation und dem Täter wieder ausgeliefert zu sein.

Das hilft nicht nur dem Opfer, sondern trägt auch zur Wahrheitsfindung bei: Denn eine ruhige, emotional einigermaßen stabile Zeugin kann in vielen Fällen deutlich besser, detailreicher und oft auch vollständiger aussagen als ein völlig aufgelöstes Nervenbündel.

Vor dem Hintergrund dieser guten Erfahrungen in Strafsachen gibt es aus Sicht der Landesregierung keine Zweifel:

Das brauchen wir genauso für die Opfer häuslicher Gewalt im Gewaltschutzverfahren.

In Gewaltschutzsachen ist nach aktuellem Recht die psychosoziale Prozessbegleitung, insbesondere in einer möglichen Gerichtsverhandlung, nur im Ausnahmefall möglich.

Das wollen wir ändern und einen geregelten Zugang zur psychosozialen Prozessbegleitung schaffen.

Ich begrüße deshalb den Ansatz des vorliegenden Antrags, die psychosoziale Prozessbegleitung auch für Gewaltschutzverfahren zu entwickeln und in einem Modellprojekt zu erproben – und es wäre mir auch persönlich ein großes Anliegen, dies umsetzen zu können.

Daher bitte ich Sie im Namen der Landesregierung, diesem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.“
Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
28.08.2024

Ansprechpartner/in:
Frau Verena Brinkmann

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 5044

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