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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann im Niedersächsischen Landtag zu der Dringlichen Anfrage der Fraktion der CDU „Wie hoch ist die Arbeitsbelastung bei den Staatsanwaltschaften in Niedersachsen?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 8. Februar 2024, TOP 17 b)


Es gilt das gesprochene Wort!


Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

erlauben Sie mir folgende Vorbemerkung zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage der CDU:

Es gibt keinen Zweifel daran, dass unsere Staatsanwaltschaften hoch belastet sind. Viele der Kolleginnen und Kollegen arbeiten am Limit – und teils darüber hinaus. Das kann und will ich – genauso wie die gesamte Landesregierung – nicht beschönigen. Das können sie zahlreichen öffentlichen Aussagen von mir in den letzten Monaten entnehmen und die vielen Kolleginnen und Kollegen, auf denen ich bei Besuchen vor Ort spreche, werden es Ihnen gerne bestätigen. Deshalb ist ganz klar, dass wir dieses Thema angehen. Einiges haben wir bereits erreicht, ich komme nachher noch dazu. Aber wir werden auch noch mehr tun müssen. Das ist uns allen bewusst.

Die Zahlen für 2023 zeigen, dass sich der Trend steigender Fallzahlen aus dem Jahr 2022 verfestigt hat. Das ist übrigens bundesweit der Fall. Für eine effektive Strafjustiz brauchen wir deshalb ausreichend Personal – bei den Staatsanwaltschaften wie an den Gerichten – und das in allen Diensten. Das ist aber eine gemeinsame Aufgabe aller demokratischen Fraktionen. Wir alle müssen zusammen bereit sein, das nötige Geld für eine starke dritte Gewalt aufzubringen. Ich werde Sie daher gerne an den heutigen Tag erinnern, wenn es an die Verabschiedung des Haushalts 2025 geht.

Denn eines muss klar gesagt sein:

Was unsere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte brauchen, ist die Bereitschaft, realistische Lösungen zur Verbesserung ihrer Lage zu finden – und diese auch im nötigen Umfang gegenzufinanzieren.

Das vorausgeschickt komme ich zunächst zur ersten Frage: „Wie hat sich die Anzahl der Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften im Jahr 2023 und seit dem Jahr 2017 entwickelt? Bitte neben der Gesamtzahl auch die Anzahl der Verfahren nach einzelnen Generalstaatsanwaltschaften aufschlüsseln“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, bevor ich die Frage beantworte, noch eine kurze Anmerkung.

Ich bin versucht zu sagen: „Sie haben es ja nicht anders gewollt.“ Als gute und verfassungstreue Demokratin beantworte ich diese Frage selbstverständlich gerne vollständig und trage Ihnen daher die abgefragten Zahlen vor.

Sie werden sich möglicherweise etwas dabei gedacht haben, das Ganze in eine dringliche Anfrage zu kleiden.

Entsprechend der allgemeinen Gepflogenheiten in der Justiz werde ich die Zahlen nach Ermittlungsverfahren gegen bekannte Täter, sogenannten Js-Sachen, und Anzeigen gegen unbekannte Täter, sogenannten UJs-Sachen, differenziert vortragen. Das trägt vor allem dem grundsätzlich unterschiedlichen Arbeitsaufwand Rechnung.

Damit nun zunächst zu den Ermittlungsverfahren gegen bekannte Täter, den Js-Sachen:

Jahr

Ermittlungsverfahren

(Js)

Niedersachsen

GenStA-Bezirk Braunschweig

GenStA-Bezirk Celle

GenStA-Bezirk Oldenburg

2017

Neuzugänge

483.811

84.427

254.295

145.089

2018

Neuzugänge

482.365

82.069

253.895

146.401

2019

Neuzugänge

493.470

82.470

262.433

148.567

2020

Neuzugänge

496.539

84.549

268.264

143.726

2021

Neuzugänge

494.877

86.327

266.179

142.371

2022

Neuzugänge

527.216

90.864

283.944

152.408

2023

Neuzugänge

567.238

99.627

304.960

162.651

Bei den Anzeigen gegen unbekannte Täter, den UJs-Sachen, ergeben sich folgende Werte:

Jahr

Anzeigen

gegen

unbekannte Täter (UJs)

Niedersachsen

GenStA-Bezirk Braunschweig

GenStA-Bezirk Celle

GenStA-Bezirk Oldenburg

2017

Neuzugänge

280.753

48.516

149.558

82.679

2018

Neuzugänge

273.681

47.806

143.230

82.645

2019

Neuzugänge

286.302

49.634

150.717

85.951

2020

Neuzugänge

278.490

47.943

148.309

82.238

2021

Neuzugänge

278.228

48.479

150.609

79.140

2022

Neuzugänge

315.306

54.492

168.816

91.998

2023

Neuzugänge

318.623

60.197

162.887

95.539

Kurz gesagt: Die Zahlen steigen mit kleinen Ausnahmen von Jahr zu Jahr an. Wirklich massiv ist die Entwicklung aber erst 2022/2023 gewesen.

Damit komme ich zur zweiten Frage: „Welche Arbeitsbelastung auf der Grundlage des Personalbedarfs-Berechnungssystems PEBB§Y ergibt sich demnach für die einzelnen Staatsanwaltschaften in Niedersachsen?“

Dazu habe ich zunächst folgende Hinweise:

Die Daten beziehen sich auf den staatsanwaltschaftlichen Dienst und beruhen auf der der Personalbedarfsberechnung und dem durchschnittlichen Personalbestand.

PBB 2017/2018

PBB 2018/2019

PBB 2019/2020

PBB 2020/2021

PBB 2021/2022

PBB 2022/2023

Braunschweig

1,09

1,02

1,01

0,92

1,00

1,13

Göttingen

1,09

0,95

1,10

1,00

1,10

1,03

Bückeburg

1,05

1,08

1,12

1,03

1,15

1,17

Hannover

1,18

1,19

1,26

1,16

1,31

1,38

Hildesheim

1,26

1,07

1,26

1,17

1,19

1,21

Lüneburg o. ZwSt. Celle

1,10

1,15

1,14

1,11

1,08

1,27

Lüneburg nur ZwSt. Celle

1,24

1,02

1,17

1,28

1,32

1,29

Stade

1,12

1,18

1,16

1,10

1,08

1,35

Verden

1,19

1,13

1,18

1,14

1,13

1,24

Aurich

1,09

1,26

1,19

1,03

1,06

1,14

Oldenburg

1,17

1,34

1,20

1,12

1,12

1,27

Osnabrück

1,24

1,12

1,21

1,02

1,04

1,09

GenStA-Bezirk Braunschweig

1,09

1,00

1,04

0,95

1,04

1,09

GenStA-Bezirk Celle

1,17

1,15

1,21

1,14

1,21

1,31

GenStA-Bezirk Oldenburg

1,19

1,24

1,20

1,06

1,08

1,17

Niedersachsen

1,16

1,14

1,17

1,08

1,13

1,23

Auch hier zeigt sich kurz gesagt: Ein massiver Anstieg ist in weiten Teilen erst ab 2022/2023 erkennbar gewesen.

Damit komme ich zur dritten Frage: „Wie viele Stellen wurden im Haushalt 2024 für die Staatsanwaltschaften zusätzlich angemeldet und dann tatsächlich geschaffen, um die von der Ministerin angekündigte bessere personelle Ausstattung in die Tat umzusetzen?“

Zu dieser Frage zunächst die Kurzfassung:

Das Niedersächsische Justizministerium hat im Haushaltsaufstellungsverfahren 2024 im Haushalt selbst für die Staatsanwaltschaften elf zusätzliche Staatsanwaltsstellen angemeldet.

Diese waren vorgesehen zur Verstärkung der Zentralstelle zur Bekämpfung der Kinderpornographie bei der Staatsanwaltschaft Hannover und für die Verstärkung der Zentralstelle zur Bekämpfung von Geldausgabeautomatensprengungen bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück.

Tatsächlich geschaffen wurden sechs neue Staats-anwaltsstellen für die genannten Zentralstellen in Hannover und Osnabrück sowie die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet in Göttingen.

Letzteres habe ich als politische Priorität durchgesetzt, weil sich die Verfahrenszahlen der Göttinger Zentralstelle in den letzten Jahren von Jahr zu Jahr verdoppelt haben.

Zudem erhalten die Staatsanwaltschaften in Göttingen, in Verden und in Osnabrück eigene IT-Experten.

In Verden und Osnabrück ist das ein Novum. In Göttingen ist bereits ein solcher Experte tätig; er erhält nun Verstärkung.

Ich will aber ganz klar sagen, dass meine politischen Ziele über diese Stellen hinausgehen und das habe ich auch bei der Aufstellung des Haushalts 2024 klar kommuniziert.

Das klare Ziel für alle Bereiche der Justiz bleibt „PEBB§Y 1,0“ und das habe ich auch in den Haushaltsverhandlungen als politische Priorität benannt.

Das bedeutet eine Personalausstattung, die den rechnerischen Bedarf vollständig abbildet. Dieses Ziel ist im Koalitionsvertrag verankert und daran halten wir als Landesregierung fest. Ausgehend von den Bedarfszahlen für das Jahr 2022 bestand bei Beginn der Haushaltsverhandlungen für das Jahr 2024 ein rechnerischer Bedarf von 117 Stellen im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Bereich, um PEBB§Y 1,0 zu erreichen. Diesen Fehlbedarf habe ich von der Vorgängerregierung so übernommen.

Ich habe dazu einen Stufenplan bis 2027 entwickelt und für das Jahr 2024 zunächst eine Steigerung um 30 Stellen für den richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst vorgeschlagen. Davon sollten 15 Stellen auf die Staatsanwaltschaften entfallen.

Politische Ziele müssen allerdings angesichts der begrenzten Spielräume im Haushalt mit den finanziellen Möglichkeiten in Ausgleich gebracht werden. Angesichts der angespannten Finanzlage konnten wir als Landesregierung allerdings leider für 2024 den Stufenplan noch nicht wie geplant in Angriff nehmen. Für das Jahr 2025 werde ich aber – unter Berücksichtigung des gestiegenen Bedarfs durch die erhöhten Fallzahlen etwa bei der Staatsanwaltschaft einen neuen Anlauf machen. Dafür hoffe ich auf breite Rückendeckung auch aus diesem Haus.

Unabhängig davon sehe ich aber die Not bei den Staatsanwaltschaften – überall, aber insbesondere hier in Hannover, im Bereich der Generalstaatsanwaltschaft Celle. Darum war mir klar, dass wir den Kolleginnen und Kollegen, die hart an der Grenze ihrer Belastbarkeit und darüber hinaus arbeiten, helfen müssen. Und das haben wir zumindest zu einem Teil geschafft. Intern. Aus eigenen Bordmitteln.

In einer großen Solidaritätsaktion ist es gelungen, 20 zusätzliche Stellen im staatsanwaltschaftlichen Dienst und 20 Beschäftigungsmöglichkeiten auf der mittleren Beschäftigungsebene zu schaffen. Diese Stellen haben weniger belastete Bereiche der Justiz bereitgestellt bzw. es handelt sich um Beschäftigungsvolumina, die in den ursprünglich vorgesehenen Bereichen seit Längerem mangels einer ausreichenden Zahl an Bewerbern nicht wie geplant genutzt werden konnten. Das löst das Problem nicht vollständig; aber es ist ein wichtiger Schritt der Soforthilfe.

Zusätzlich haben wir für das Jahr 2024 auch noch im Bezirk Celle zehn sogenannte Stellenhülsen geschaffen. Diese helfen, die vorhandenen Stellen und Haushaltsmittel der Staatsanwaltschaften noch flexibler zu nutzen. So wird es zum Beispiel einfacher, aktuell ungenutzte Stellenanteile, beispielsweise bei Teilzeitkräften, in zusätzliche Stellen umzuwandeln.

Sie sehen: Wir sind dran. Und wir bleiben dran.

Vielen Dank.“



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Artikel-Informationen

erstellt am:
08.02.2024

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Marcel Holthusen

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205043

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