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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann im Bundesrat zu TOP 52a „Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts"

Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 2024


Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte/r Herr/Frau Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

ein starkes und unabhängiges Bundesverfassungsgericht ist eine tragende Säule unseres demokratischen Rechtsstaats.

Deshalb muss die Stärkung der Resilienz – die Stärkung der Widerstandskraft – des Bundesverfassungsgerichts allen Demokratinnen und Demokraten in unserem Land ein zentrales Anliegen sein.

Dass das so ist, hat der Bundestag gestern gezeigt – und das wird dieses hohe Haus heute ebenfalls zeigen.

Der gleich von uns zu fassende Beschluss ist eine wichtige Präventionsmaßnahme.

Aber vielleicht fast ebenso wichtig ist das positive Signal für die Bürgerinnen und Bürger, das gleich von diesem Beschluss ausgehen wird.

Dieses Signal lautet: Wenn es hart auf hart kommt, stehen die Demokratinnen und Demokraten – und das ist die weit überwiegende Mehrheit in unserem Land – fest zusammen.

Bei allem Wahlkampfgetöse und bei allen inhaltlichen Differenzen, die es in einer Demokratie gibt und die es in einer Demokratie auch geben muss, besteht ein Grundkonsens:

Wir alle ziehen gemeinsam an einem Strang, um den Fortbestand unseres Rechtsstaats, den Fortbestand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zu sichern.

Viele von uns – auch eine große Mehrheit der Justizministerinnen, -minister und ‑senatorinnen der Länder – haben lange dafür gestritten, über den gleich zu treffenden Beschluss hinaus auch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz als Zustimmungsgesetz auszugestalten, um damit die Länder als weiteres Bollwerk gegen autoritäre Kräfte mit ins Boot zu holen.

Dadurch hätten wir eine zweite starke Verteidigungslinie im Kampf gegen die Feinde unserer Demokratie schaffen können.

Dass dies den Schutz des Bundesverfassungsgerichts verbessert hätte, hat übrigens auch die weit überwiegende Mehrheit der im Bundestag angehörten Experten so bestätigt.

Und im Übrigen hätte eine solche Regelung auch der Intention der Mütter und Väter des Grundgesetzes entsprochen, den Föderalismus als machtbeschränkenden Stabilitätsfaktor zu nutzen.

Gleichwohl ist uns allen das Ergebnis so wichtig – und ein schnelles Handeln ist insbesondere vor dem Hintergrund des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode auch so dringend –, dass wir diesen Kompromiss eingehen und dem Beschlussvorschlag dennoch mit voller Überzeugung und aus tiefstem Herzen zustimmen können.

Denn was Deutschland andernfalls drohen kann, sieht man sehr deutlich an denjenigen Ländern, in denen Demokratiefeinde die Mehrheit erlangt haben:

Die Justiz ist einer der ersten Angriffspunkte, um die Demokratie einen schleichenden Tod sterben zu lassen.

Erst schaltet man die freie Presse aus, dann strukturiert man die Justiz um und besetzt die entscheidenden Posten mit regimetreuen Richtern.

Gleichzeitig sorgt man dafür, dass das Verfassungsgericht entmachtet oder eben auch so besetzt wird, dass von dort aus kein regulierender Einfluss auf eine demokratiefeindliche Gesetzgebung zu erwarten ist.

Selbst wenn formal kein Umsturz stattfindet, kann eine Demokratie auf diese Weise ausgehöhlt und entleert werden.

Mit dem heutigen Beschluss ziehen wir im Jahr des 75. Geburtstages des Grundgesetzes eine wirksame Schutzmauer um unser Bundesverfassungsgericht und damit um die Hüterinnen und Hüter unserer Verfassung.

Wir werden die Strukturprinzipien des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz absichern und das Bundesverfassungsgericht auf diese Weise dem Zugriff einer einfachen Mehrheit entziehen.

Das ist richtig und das ist wichtig.

Zugleich muss uns aber allen klar sein, dass eine Demokratie von echten und überzeugten Demokratinnen und Demokraten getragen sein muss.

Wenn wir es auf Dauer nicht schaffen, die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung vom Wert der Demokratie, vom Wert des Rechtsstaats zu überzeugen, dann hilft uns auch der beste Schutzmechanismus für das Bundesverfassungsgericht am Ende nicht weiter.

Bei allen Widrigkeiten und allen politischen Differenzen sollten wir alle miteinander nicht aus den Augen verlieren, dass es auf deutschem Boden in der gesamten Geschichte noch nie einen so erfolgreichen, wohlständigen, liberalen und sozialen Staat gegeben hat – der im Übrigen gleichzeitig auf dem Willen des Volkes und auf dem Prinzip der gleichen Rechte und Pflichten aller Bürgerinnen und Bürger in diesem Land beruhte.

Auch dafür, für dieses große Ganze – für diese Bundesrepublik Deutschland – lassen Sie uns gemeinsam streiten.

Vielen Dank.

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.12.2024

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Marcel Holthusen

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205043

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