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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Veröffentlichung von Gerichtsurteilen in Niedersachsen“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 13. November 2015, Mündliche Anfrage Nr. 2


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 2 des Abgeordneten Helge Limburg (Grüne):

Vorbemerkung des Abgeordneten

Mit Beschluss vom 14. September 2015 (1 BvR 857/15) erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass Gerichte grundsätzlich dazu verpflichtet sind, Gerichtsurteile in für die Öffentlichkeit bedeutsamen Verfahren auch schon dann - zumindest auf Medienanfrage hin - anonymisiert zu veröffentlichen, wenn sie noch nicht rechtskräftig sind. Im zugrunde liegenden Fall ging es um den früheren thüringischen CDU-Innenminister Christian Köckert, der wegen Vorteilsnahme und Abgeordnetenbestechung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Sowohl das Landgericht Meiningen als auch das später angerufene Oberverwaltungsgericht verweigerten aber die Herausgabe der Urteile.

1. Welche Regelungen und Verfahren gelten in Niedersachsen für die Veröffentlichung von für die Öffentlichkeit bedeutsamen Urteilen?

Zu den existenziellen Fundamenten einer freiheitlichen Demokratie gehören Medien, die die Bevölkerung mit Informationen versorgen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen die Medien ihrerseits in die Lage versetzt werden, diese Informationen zu erlangen.

Das Informationsrecht der Presse findet in Niedersachsen seine Grundlage in § 4 des Niedersächsischen Pressegesetzes (NPresseG) vom 22. März 1965. Danach sind Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen.

Hierauf beruhend regelt Ziffer 5 der AV des Niedersächsischen Justizministeriums vom 12. August 2011 (Presse-AV), dass die niedersächsischen Justizbehörden verpflichtet sind, Medien zu unterrichten, wobei das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen, der Grundsatz der Unschuldsvermutung, die Aufgabe der Resozialisierung von Straftäterinnen und Straftätern und die Gewährleistung eines justizförmigen, fairen Verfahrens einerseits sowie das Interesse der Öffentlichkeit an freier und umfassender Information und die grundsätzliche Kontrollaufgabe der Medien gegenüber allem staatlichen Handeln anderseits zu beachten sind.

Nach § 4 Abs. 2 NPresseG können Auskünfte verweigert werden, soweit durch sie die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder ihnen Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder sie ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzen würden oder ihr Umfang das zumutbare Ausmaß überschreitet.

Nach Ziffer 6.1 der Presse-AV werden auf dieser Grundlage die Medien von den Pressesprecherinnen und Pressesprechern der Justizbehörden entweder auf Anfrage oder aus eigener Initiative über solche Verfahren oder Ereignisse informiert, bei denen ein Interesse der Öffentlichkeit zu vermuten ist oder auf Grund vorangegangener Berichterstattung bereits vorliegt.

In geeigneten Einzelfällen werden den Medien anonymisierte Abdrucke gerichtlicher Entscheidungen überlassen. Erfolgt die Überlassung auf Antrag zu Zwecken der Berichterstattung, so erfolgt die Übersendung in der laufenden Legislaturperiode kostenlos.

Auskünfte gegenüber den Medien erteilen nach Ziffer 4 der Presse-AV grundsätzlich nur die Behördenleitungen und die Pressesprecherinnen und Pressesprecher.

Sie haben bei der Erfüllung des Auskunftsanspruchs der Medien nach § 4 NPresseG einen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ermessenspielraum (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14. September 2015, 1 BvR 857/15). Das Ermessen ist unter Berücksichtigung der Wertungen der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) sowie der - u.a. aus dem Rechtsstaatsgebot folgenden - Pflicht der Gerichte zur Publikation von Gerichtsentscheidungen, an deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit ein Interesse hat oder haben kann, zu betätigen.

Grundsätzlich besteht ein Anspruch der Presse auf Überlassung anonymisierter Entscheidungsabdrucke. Soweit Nr. 6.1 Presse-AV vorsieht, dass in geeigneten Einzelfällen den Medien anonymisierte Abdrucke gerichtlicher Entscheidungen überlassen werden können, liegt ein „geeigneter Einzelfall“ schon dann vor, wenn ein Medienvertreter einen Abdruck begehrt.

Dem Anspruch der Presse setzt § 4 Abs. 2 NPresseG in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz indes auch Grenzen; die Vorschrift begründet ein Auskunftsverweigerungsrecht in bestimmten, im Einzelnen bezeichneten Fällen. Auszulegen ist auch diese Bestimmung im Licht der Verfassung. Im Einzelfall ist eine Abwägung der konkurrierenden Interessen vorzunehmen; die maßgeblichen Gesichtspunkte gibt Nr. 5.1 Presse-AV zutreffend wieder.

Der allgemeinen Verpflichtung zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen tragen die niedersächsischen Gerichte dadurch Rechnung, dass die Entscheidungen in elektronische Datenbanken eingestellt und juristischen Fachverlagen zur Verfügung gestellt werden.

Die Entscheidungen niedersächsischer Gerichte werden in der folgenden Weise veröffentlicht:

In der zentralen Rechtsprechungsdatenbank im Landesjustizportal „Bürgerservice“ werden aktuelle gerichtliche Entscheidungen sowohl von den ordentlichen Gerichten als auch den Fachgerichten eingestellt. Diese Entscheidungen sind für die Bürgerinnen und Bürger über das Internet frei zugänglich. Sie können für den privaten Gebrauch kostenfrei ausgedruckt und heruntergeladen werden. Dabei werden auch Entscheidungen eingestellt, die noch nicht rechtskräftig sind. Deshalb erfolgt ausdrücklich der Hinweis in der Datenbank, dass keine Gewähr für die Rechtskraft der Entscheidung übernommen wird. Die Rechtsprechungsdatenbank „Bürgerservice“ wird vom Land Niedersachsen betrieben. Die Datenbank und das Hosting werden auf Grund eines Vertrages über die Bereitstellung, die Pflege und den Betrieb einer Entscheidungsdatenbank als Bürgerservice im Internet von der juris GmbH gestellt.

Daneben werden Entscheidungen an die juris GmbH und an den C. H. Beck-Verlag im Rahmen eines Vertrages über die Nutzung der jeweiligen Datenbank bzw. des Informationssystems des Vertragspartners zugeliefert.

Die zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen werden an alle der oben genannten Empfänger zeitgleich übermittelt.

Die Ablauforganisation bei der Entscheidungsveröffentlichung ist in den Gerichten individuell geregelt. Den Gerichten wurden jedoch als Hilfestellung „Empfehlungen zum Arbeitsablauf für die Entscheidungsveröffentlichung“ zur Verfügung gestellt. Die Entscheidungen werden mit Hilfe eines Dokumentations- und Anonymisierungswerkezeugs aufbereitet und in anonymisierter Form elektronisch an die Datenbanken übermittelt. Die juris GmbH stellt die zugelieferten Entscheidungen sodann in die niedersächsische Rechtsprechungsdatenbank ein. Parallel hierzu veröffentlichen die juris GmbH und der C. H. Beck-Verlag die Entscheidungen in ihren jeweiligen verlagseigenen juristischen Datenbanken.

2. Sieht die Landesregierung aufgrund der oben genannten Karlsruher Entscheidung Anpassungsbedarf für die Regelungen und Verfahren in Niedersachen?

Nein.

3. Wenn ja: Welchen und wie wird sie dieses umsetzen?

Entfällt

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.11.2015

Ansprechpartner/in:
Herr Marco Hartrich

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5162

www.mj.niedersachsen.de

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