Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Probleme mit gewalttätigen Häftlingen in der JVA Oldenburg (Teil 2)“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 7. April 2017, Mündliche Anfrage Nr. 67
Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 67 der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Dr. Stefan Birkner, Horst Kortlang und Jan-Christoph Oetjen (FDP):
Vorbemerkung der/des Abgeordneten
Am 11. März 2017 berichtete die Nordwest-Zeitung unter dem Titel „Mehr Stress hinter Gittern“ über zahlreiche Probleme in der JVA Oldenburg. Nach besagtem Bericht gibt es zunehmend Probleme mit gewalttätigen Häftlingen in der JVA Oldenburg. Zudem sei die Anzahl ausländischer Häftlinge angestiegen, was zu Sprachbarrieren zwischen Inhaftierten und dem Personal der JVA führe. Aufgrund der Sprachbarrieren sei das Vollzugsziel der Resozialisierung immer schwieriger zu erreichen und „manchmal sogar unmöglich“, so Gerd Koop, Leiter der JVA Oldenburg. Erschwerend käme hinzu, dass rund 60 Prozent aller Inhaftierten psychisch auffällig oder krank seien.
1. Was beabsichtigt die Landesregierung gegen die Gewalttätigkeit von Häftlingen im Justizvollzug, insbesondere auch in der JVA Oldenburg, zu unternehmen?
Das konsequente Bemühen des niedersächsischen Justizvollzuges, Subkultur und Gewalt einzudämmen, schließt nicht nur Aufbereitung, Beobachtung und Dokumentation ein. Präventiv sollen die Gefangenen lernen, auf Konflikte sozial angemessen zu reagieren; für sie stehen zur Entwicklung von Empathie und damit zur Verringerung von Gewalt u.a. Antiaggressivitätstrainings, soziales Training und Sozialtherapie zur Verfügung.
Im baulichen Bereich werden Maßnahmen der Gewaltprävention besonders berücksichtigt. Im Rahmen der im Jahr 2011 durchgeführten Forschungsstudie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen e.V. zu Viktimisierungserfahrungen im Justizvollzug wurden als Orte der Gewalt in Justizvollzugseinrichtungen Gemeinschaftsduschen aber auch Hafträume identifiziert. Im Rahmen notwendiger baulicher Sanierungsarbeiten werden daher die Nassbereiche der Hafträume mit Duschen versehen und die sog. Gefangenenschließung verbaut. Damit erhalten Gefangene die Möglichkeit ihren Haftraum während der allgemeinen Aufschlusszeiten von innen abzuschließen und damit Mitgefangenen den Zutritt zu verwehren. Die Einführung der Gefangenenschließung ist überwiegend bereits umgesetzt – so auch in der JVA Oldenburg - oder befindet sich in der Vorbereitung für die Umsetzung. Lediglich in Unterkunftsbereichen älterer Justizvollzugseinrichtungen oder im offenen Vollzug ist dieses System noch nicht eingeführt.
Im Bereich der Aus- und Fortbildung werden kulturallgemeine und kulturspezifische Trainings angeboten. Darüber hinaus gibt es Fortbildungen zur berufsspezifischen Konfliktbewältigung und Selbstverteidigung (BKS) sowie Supervisions- und Kriseninterventionsangebote.
Die JVA Oldenburg hat ein Programm „Null Toleranz: Wir geben Gewalt keine Chance“ aufgelegt. Gefangene werden in der Hausordnung, die in 5 Sprachen übersetzt ist, durch einen ausliegenden Leporello, der in 15 Sprachen übersetzt ist, sowie durch Plakate in allen Vollzugsabteilungen, die ebenfalls in 15 Sprachen übersetzt sind, darauf hingewiesen, dass Gewalt nicht toleriert und konsequent verfolgt und angezeigt wird. Die Gefangenen werden ermutigt, sich im Falle einer Gewalterfahrung als Opfer oder auch als Zeuge vertrauensvoll an Bedienstete zu wenden. In dem Anstaltsfernsehen der JVA Oldenburg werden täglich Videoclips zu Inhalten der Gewaltvermeidung gesendet. Jeder Gefangene wird bereits im Zugangsgespräch auf das Programm „Null Toleranz: Wir geben Gewalt keine Chance“ hingewiesen. Die Gruppenmaßnahmen „Handlungssicher in Konfliktangeboten (HiK)“ und „Zukunft ohne Gewalt (ZoG) runden das Programm ab.
2. Wie beabsichtigt die Landesregierung mit den Sprachbarrieren in Justizvollzugsanstalten, insbesondere auch in der JVA Oldenburg, umzugehen?
Zur Verringerung von Sprachproblemen ausländischer Gefangener bestehen in den Justizvollzugseinrichtungen bereits zahlreiche Angebote in Form von Sprachkursen und
-programmen. Laufende und neue Maßnahme zur Förderung der Sprach- und Alltagskompetenzen wie Sprachkurse, die das Sprachniveau A 1 (elementare Sprachanwendung) und A 2 (fortgeschrittene Kommunikation) anstreben, die Nutzung von Einstufungstests und Sprachprogrammen über die elis-Lernplattform und die Beschaffung von elektronischen Übersetzern mit Spracheingabe werden vom Niedersächsischen Justizministerium finanziell gefördert. Den niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen wurden dafür in diesem Jahr landesweit zusätzlich 300.000 € zugewiesen. Die JVA Oldenburg hat rd. 22.100 € erhalten und beabsichtigt eine Ausweitung des Angebotes an Deutschkursen. Das Programm I-Translate ist in der JVA Oldenburg bereits im Einsatz. Eine Vielzahl von Dolmetschern steht der Anstalt zur Verfügung.
In der JVA Uelzen wurde erfolgreich Videodolmetschen pilotiert. Aktuell wird eine entsprechende Ausschreibung mit dem Ziel eines landesweiten Einsatzes vorbereitet.
3. Wie beabsichtigt die Landesregierung mit psychisch auffälligen bzw. psychisch kranken Häftlingen in Justizvollzugsanstalten, insbesondere auch in der JVA Oldenburg, umzugehen?
Die Landesregierung hat unmittelbar nach der Regierungsübernahme im Frühjahr 2013 die bestehenden Defizite im Bereich der psychiatrischen Versorgung von Inhaftierten aufgegriffen und die Projektgruppe „Psychiatrische Versorgung von Inhaftierten“ eingerichtet. Auftrag der Projektgruppe war die Erarbeitung eines Konzeptes, dass eine medizinisch notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Psychiatrie im Justizvollzug ermöglicht. Die Empfehlungen im Abschlussbericht der Projektgruppe vom 21.03.2014 sehen eine psychiatrische Versorgung im Justizvollzug analog zur Versorgungsstruktur der Allgemeinbevölkerung vor.
Inhaftierte, die aufgrund stark ausgeprägter psychiatrischer Symptome zwingend eine sofortige gezielte Therapie benötigen, werden in einem externen psychiatrischen Krankenhaus entsprechend versorgt. Die stationäre psychiatrische Behandlung von Inhaftierten außerhalb des Akutfalles erfolgte bislang in drei psychiatrischen Abteilungen innerhalb der Justizvollzugsanstalten Hannover, Lingen und Sehnde mit insgesamt 39 Plätzen. Zur leitliniengerechten Therapie bedurfte es der Ertüchtigung der bestehenden Abteilungen in Lingen und Sehnde. Darüber hinaus werden derzeit zwei weitere psychiatrische Abteilungen in der Jugendanstalt Hameln und der JVA Oldenburg eingerichtet. Im Ergebnis sollen insgesamt fast 100 stationäre Plätze vorgehalten werden. Der Personalbedarf und die baulichen Standards wurden bzw. werden entsprechend angepasst. Die ambulante Versorgung der psychiatrisch auffälligen Gefangenen wird in drei Justizvollzugsanstalten (u.a. in der JVA Oldenburg) pilotiert. Diese Justizvollzugsanstalten haben bereits in den letzten Jahren umfassende Ambulanzkonzepte erarbeitet, die sich im Haftalltag stetig fortentwickeln und zahlreiche Gruppenangebote und Strukturveränderungen vorsehen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
07.04.2017
Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt
Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
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