Logo Niedersächsisches Justizministerium: zur Startseite Niedersachsen klar Logo

Antwort der Justizministerin auf Mündliche Anfrage: Maßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.02.2014, Mündliche Anfrage Nr. 2


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Onay, Meta Janssen-Kucz und Gerald Heere (GRÜNE), Kathrin Wahlmann, Andrea Schröder-Ehlers, Maximilian Schmidt, Stefan Politze und Marco Brunotte (SPD):

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise rückte seit 2008 auch die Wirtschaftskriminalität verstärkt in den Fokus der öffentlichen Debatte. Bundesweit laufen gegenwärtig mehrere Straf- und Zivilprozesse, die sich mit den Folgen teilweise kriminellen Verhaltens von Managerinnen und Managern in den letzten Jahren beschäftigen müssen. So stehen z. B. in München derzeit mehrere frühere Manager der BayernLB vor Gericht. Ihnen wird Untreue und Bestechung im Zusammenhang mit dem Kauf der Bank Hypo Alpe Adria durch die BayernLB im Jahr 2007 vorgeworfen. Bereits im Jahr 2012 wurde das frühere Vorstandsmitglied der BayernLB Gerhard Gribkowsky wegen Bestechlichkeit zur einer achteinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt.

Auch Niedersachsen ist von derartigen Prozessen betroffen. So wurde das Landgericht Göttingen infolge der Insolvenz der „Göttinger Gruppe“ und der „Securenta AG“ seit einigen Jahren von einer Flut von Schadensersatzklagen von Anlegerinnen und Anlegern betroffen.

Bei der effektiven Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität spielt die Abschöpfung widerrechtlich erlangter Gewinne eine wichtige Rolle.

Auch Steuerhinterziehung wird mittlerweile in der öffentlichen Debatte als ernstzunehmende und gemeinschaftsschädliche Straftat angesehen. Zu ihrer Bekämpfung kaufte u. a. die Niedersächsische Landesregierung sogenannte Steuer-CDs an, auf denen sich Daten von Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterziehern befanden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung unternommen, um eine effektive Arbeit am Landgericht Göttingen angesichts der Klageflut zu gewährleisten?

2. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um eine effektive und gerechte Strafverfolgung im Bereich der Wirtschaftskriminalität zu gewährleisten?

3. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um effektiv gegen Steuerhinterziehung vorzugehen?

Ministerin Niewisch-Lennartz beantwortet die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Der Landesregierung sind die effektive Bekämpfung, die Aufklärung und die Ahndung von Straftaten, namentlich solcher der Wirtschaftskriminalität, ein vordringliches Anliegen.

Die Landesregierung wird daher den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität weiter intensivieren. Das macht es erforderlich, die Notwendigkeit gesetzgeberischer Maßnahmen sorgfältig und vollumfänglich auszuloten. Bis es zu Änderungen kommt, werde ich darauf hinwirken, dass die strafprozessualen und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Instrumentarien konsequent angewendet und ausgeschöpft werden.

An der aktuellen und sehr kontrovers geführten Diskussion um die Einführung eines Unternehmensstrafrechts hat die Landesregierung sich deshalb bereits im letzten Jahr intensiv beteiligt und wird dies auch weiterhin tun.

Niedersachsen hat den von Nordrhein-Westfalen vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden als wegweisende Diskussionsgrundlage für eine effektivere und nachhaltigere Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Korruption bereits im November 2013 auf der Justizministerkonferenz ausdrücklich begrüßt.

Ein Regelwerk wie der Gesetzentwurf aus Nordrhein-Westfalen, das

selbständige Tatbestände einer Verbandstraftat enthält,

Verbandsmaßregeln wie den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen u. Ä. als Sanktionen vorsieht,

und neben der Möglichkeit der Verhängung echter Kriminalstrafen echte Chancen im Compliance-Bereich bietet und damit einen Ansporn für die Wirtschaft darstellt

ist ein Impuls, dessen die Landesregierung sich keinesfalls begeben möchte.

Die Landesregierung sieht zudem, dass das auf den Einzelnen, die natürliche Person ausgerichtete Zurechnungskonzept des klassischen Schuldstrafrechts den Realitäten der Unternehmenskriminalität vielfach nicht gerecht wird.

Die Schuld von Einzelpersonen ist trotz häufig gravierender Tatfolgen oft eher gering. Solche Entscheidungen fallen dann schnell in das Raster: die Kleinen hängt man - die Großen, die profitierenden Firmen - lässt man laufen. Rechtsfolgen, die allgemein als zutiefst ungerecht empfunden werden.

All diese Argumente fallen für ein Unternehmensstrafrecht in die Waagschale.

Auf der anderen Seite ist aber zu beachten, dass ein solches „echtes“ Unternehmensstrafrecht eine Abkehr von elementaren Grundsätzen des deutschen Strafrechts bedeuten würde. Denn dieses fußt auf dem Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt (nulla poena sine culpa) und zudem ein jeder nach seiner individuellen Schuld zu bestrafen ist, was bei juristischen Personen schon mangels Schuldfähigkeit nicht möglich und damit dem geltenden Strafrechtssystem fremd ist.

Ein solcher Paradigmenwechsel begegnet zudem verfassungsrechtlichen Bedenken und muss daher so gründlich erwogen werden, dass er im Ernstfall einer Prüfung sowohl durch die tägliche Praxis als auch durch das Bundesverfassungsgericht standhält.

Auf jeden Fall gilt es, während der Zeit der Debatte nicht untätig zu bleiben.

Die derzeitige Rechtslage, namentlich die Regelungen der §§ 30 und 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, bietet bereits die Möglichkeit, auch Unternehmen bei der Begehung von Straftaten zur Rechenschaft zu ziehen: So ermöglicht § 30 OWiG die Festsetzung einer Geldbuße gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen unter der Voraussetzung, dass deren Repräsentanten (Organe, Vorstände, Vertreter, sonstige Leitungspersonen) eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen haben, durch die entweder Pflichten des Unternehmens verletzt worden sind oder die zu dessen Bereicherung geführt haben oder führen sollten.

§ 130 OWiG erlaubt es ein Unternehmen zu einer Geldbuße zu verurteilen, wenn der Inhaber vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, um strafbewehrte Pflichtverletzungen durch Angestellte zu verhindern.

Eine Aufsichtspflichtverletzung genügt als Anknüpfungstat für eine selbstständige oder zusätzliche Geldbuße gegen einen Unternehmensträger!

Die Höhe der nach § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes möglichen Geldbuße beläuft sich im Falle begangener Straftaten seit dem 30. Juni 2013 bei vorsätzlichen Taten immerhin auf bis zu 10 Millionen Euro, bei fahrlässigen Taten auf die Hälfte. Das übersteigt den Sanktionsrahmen zahlreicher Straftatbestände ganz erheblich.

Wenn gleichzeitig mit der Ordnungswidrigkeit eine Straftat verwirklicht worden ist und die Geldbuße für die Ordnungswidrigkeit die 5- bzw. 10-Millionen-Grenze übersteigt, bestimmt sich das Höchstmaß nach der höheren Geldbuße. Das ist insbesondere in Fällen von Kartellordnungswidrigkeiten interessant: Ist zum Beispiel die Anknüpfungstat ein Betrug oder eine wettbewerbsbeschränkende Absprache bei Ausschreibungen, und ist der Bußgeldrahmen dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu entnehmen, der sich am Jahresgesamtumsatz, nicht am Gewinn, orientiert, dann kann die Geldbuße gegebenenfalls bis zu mehrere Milliarden Euro betragen.

Schließlich soll die Verbandsgeldbuße, auch das regelt das Ordnungswidrigkeitengesetz, den wirtschaftlichen Vorteil, den das Unternehmen aus der Tat gezogen hat, übersteigen. Dafür kann dann das genannte Höchstmaß erforderlichenfalls auch überschritten werden. Auf dieser Rechtsgrundlage hat erst in diesem Monat das Oberlandesgericht Düsseldorf ein vom Kartellamt verhängtes Bußgeld in Höhe von 55 Millionen Euro gegen einen Kaffeeröster bestätigt, die dieser wegen verbotener Preisabsprachen zahlen muss. Und das Bundeskartellamt verhängte ebenfalls im Februar wegen verbotener Preisabsprachen Bußgelder in einer Gesamthöhe von rund 280 Millionen Euro gegen die drei größten Zuckerhersteller.

Ob durch ein „echtes“ Unternehmensstrafrecht oder durch Änderungen im Ordnungswidrigkeitenrecht: Die Erarbeitung einer effektiven, aber auch rechtssicheren Lösung ist ein Vorhaben der Landesregierung. Daneben gilt es, die konsequente Anwendung des bestehenden Rechts sicherzustellen. Dafür ermittelt mein Haus die tatsächliche Anwendungspraxis in wirtschaftlichen OWiVerfahren um gegebenenfalls Lücken zu schließen.

Die Landesregierung begleitet indessen nicht nur bedeutende Gesetzgebungsverfahren und sorgt so weit wie möglich für eine konsequente und einheitliche Rechtsanwendung, sondern sie interveniert insbesondere auch in solchen Einzelfällen, in denen eine Unterstützung der nachgeordneten Behörden und Gerichte angezeigt, gegebenenfalls sogar erforderlich ist. Sie prüft dazu insbesondere Ersuchen um Personalverstärkung und sonstige Unterstützung organisatorischer Art in außerordentlichen Verfahren und Verfahrenskomplexen, und sie stellt erforderlichenfalls die notwendigen Personal-, Sach- und Geldmittel zur Verfügung. Bei den zahllosen Schadensersatzklagen betreffend die sogenannte Göttinger Gruppe hat die Landesregierung nach dieser Maßgabe eine Unterstützung für erforderlich erachtet und geleistet.

Schließlich setzt sich die Niedersächsische Landesregierung auch nachdrücklich gegen Steuerhinterziehung ein. Im Koalitionsvertrag heißt es dementsprechend, dass der Bekämpfung von Wirtschafts- und Steuerkriminalität ein stärkeres Gewicht geben werden muss, dass das Steueramnestie-Abkommen mit der Schweiz abzulehnen ist, weil es im Ergebnis Steuersünder begünstigt hätte und dass Ankäufe von Steuer-CDs daher bis auf Weiteres als ein geeignetes Mittel im Kampf gegen Steuerhinterziehung angesehen werden, welche in Deutschland durch höchstrichterliche Rechtsprechung abgesichert sind.

Die Landesregierung unterstützt Initiativen, mit denen Steueroasen trockengelegt werden. Dazu muss auch der zwischenstaatliche Auskunftsaustausch effektiver werden.

Insgesamt ist es ein Anliegen der Landesregierung sicherzustellen, dass Steuerhinterzieher jederzeit damit rechnen müssen, entdeckt und verfolgt zu werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Das Landgericht Göttingen hat zur Bewältigung des Komplexes Securenta / Göttinger Gruppe diverse Personalverstärkungen im Richterdienst erhalten: Nach einem Zuwachs von einer Stelle für eine/n Vorsitzende/n Richter/in am Landgericht (Besoldungsgruppe R 2) und zwei Stellen für Richter/innen am Landgericht (Besoldungsgruppe R 1) im Jahr 2011, einer nochmalige Verstärkung um weitere drei Richterstellen für Richter/innen in 2012 wurde das Landgericht Göttingen auch im Bereich der mittleren Beschäftigungsebene im Jahr 2012 um 1,75 Arbeitskraftanteile und im Jahr 2013 um weitere 3,25 Arbeitskraftanteile verstärkt. Auch im Wachtmeisterdienst erfolgte in den Jahren 2012 und 2013 eine Verstärkung um einen Arbeitskraftanteil.

Gerade bei Sondersituationen - hier ist der Begriff der Notsituation angebracht - zeigen sich die Vorteile der Budgetierung, die Steigerung von Autonomie und Flexibilität:. Da zunächst zusätzliches Beschäftigungsvolumen und Personalkostenbudget hierfür nicht bereitgestellt wurde, konnte eine Finanzierung aus dem vorhandenen Personalkostenbudget des OLG-Bezirks Braunschweig erfolgen.

Mit dem Haushaltsplan 2014 aber wurden die oben genannten, zunächst befristeten Stellenzuwächse im Richterbereich abgelöst. Die Landesregierung hat 2 Planstellen der Besoldungsgruppe R 2 für Vorsitzende Richter/innen am Landgericht sowie 4 Planstellen der Besoldungsgruppe R 1 für Richter/innen am Landgericht bereitgestellt. Also Personal für zwei neue Kammern. Die mittlere Beschäftigungsebene verstärkte die Landesregierung um 5 Beschäftigungsmöglichkeiten und den Wachtmeisterdienst um 2 zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten.

Alle insgesamt 13 Planstellen und Beschäftigungsmöglichkeiten hat die Landesregierung mit Beschäftigungsvolumen und Personalkostenbudget hinterlegt und befristet bis zum 31.12.2015 ausgebracht.

Organisatorisch ist auf die große Anzahl der Schadensersatzklagen wie folgt reagiert worden:

Im Jahre 2011 ist neben der bis dahin bestehenden sogenannten „Securenta-Kammer“ eine zweite Kammer für diese Verfahren eingerichtet und besetzt worden.

Nachdem für Anfang 2013 weitere rund 4.500 Verfahren beim Landgericht Göttingen angekündigt worden waren, die sich nunmehr gegen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften richten, ist eine weitere dritte „Securenta-Kammer“ eingerichtet und nach dem tatsächlichen Eingang der Verfahren besetzt worden.

Per 01.04.2013 und 01.06.2013 war als Sofortmaßnahme jeweils eine Richterin aus dem LG-Bezirk Braunschweig nach Göttingen abgeordnet worden.

Das Präsidium des Landgerichts Göttingen hat ab Januar 2014 eine weitere Verstärkung dieser 16. Zivilkammer um eine halbe richterliche Arbeitskraft vorgesehen, so dass ab Januar 2014 insgesamt 6,4 Arbeitskraftanteile des Richterdienstes in den „Securenta-Kammern“ tätig sind. Zudem sind derzeit 8,25 Arbeitskraftanteile in der ehemaligen mittleren Beschäftigungsebene und 2,5 Arbeitskraftanteile im Wachtmeisterdienst eingesetzt.

Die mit dem Komplex Securenta / Göttinger Gruppe befassten Personen werden kontinuierlich im Rahmen des Gesundheitsmanagements organisatorisch beraten. Durch diese Begleitung wurde den mit dem Verfahren betrauten Bediensteten des Gerichts eine wirksame Hilfe zur Verfügung gestellt, um die mit der Verfahrensbearbeitung einhergehende Belastung besser bewältigen zu können.

Die Prozessbegleitung erfolgt durch externe Berater des Beratungsteams Niedersachsen und der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. im Rahmen des Gesundheitsmanagements der niedersächsischen Justiz.

Es wurden und werden gemeinsame Strategien für eine effektive Arbeitsbewältigung im Komplex Securenta / Göttinger Gruppe entwickelt: Informationsaustausch, Planung des Personaleinsatzes, ständige Überprüfung der Arbeitsabläufe auf Effizienz und Vermeidung von Doppelarbeit und die Vergabe von Arbeitsaufträgen. Darüber hinaus konnte der Teamgeist der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestärkt werden. In den Jahren 2011 bis 2013 haben bisher zehn Workshops stattgefunden.

Die Kosten hat das Niedersächsische Justizministerium im Rahmen des Gesundheitsmanagements übernommen. Bei allen Beteiligten besteht Einigkeit darüber, dass die externe Prozessbegleitung im Rahmen des Gesundheitsmanagements dringend notwendig war und ist, um eine effektive Arbeitsbewältigung zu gewährleisten.

Zu 2.:

In Umsetzung der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode wird die Bundesregierung zu prüfen haben, in welcher Weise das Ordnungswidrigkeitenrecht mit Blick auf strafbares Verhalten im Unternehmensbereich ausgebaut werden muss. Der Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz Heiko Maas strebt eine breite Diskussion an und hat angekündigt, einen Gesetzentwurf zur Wirtschaftskriminalität entsprechend der Initiative aus Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten. Dabei soll die Frage geklärt werden, ob die Regelungen im Strafrecht oder im Ordnungswidrigkeitenrecht vorgenommen werden sollen.

Aus Sicht der Niedersächsischen Landesregierung kommt es dabei maßgeblich darauf an, ob nach einer sorgfältigen Prüfung die Schaffung neuer Straftatbestände gegenüber der konsequenten Anwendung und punktuellen Anpassung des vorhandenen Instrumentariums einen Effektivitätsgewinn erwarten lässt.

Sie wird sich dabei so intensiv wie möglich in dieses Gesetzgebungsvorhaben einbringen und zudem in Niedersachsen – sowohl zur Diskussion im anstehenden Gesetzgebungsvorhaben selbst als auch zur praktischen Umsetzung und Optimierung im Land auf Grundlage des bestehenden Instrumentariums - eine Klärung der folgenden Fragen vornehmen:

Ob und gegebenenfalls warum ist das vorhandene Instrumentarium des Ordnungswidrigkeitengesetzes nicht ausreichend effektiv?

Reicht das Instrumentarium der §§ 30, 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes möglicherweise deshalb nicht aus, weil Bußgelder keine hinreichende Präventivwirkung erzeugen und ein kalkulierbares Risiko für Unternehmen bleiben?

Es ist ferner zu klären, ob das Ordnungswidrigkeitengesetz als solches optimiert werden kann - z. B. durch die Ablösung des dort geltenden Opportunitätsprinzips durch das Legalitätsprinzip oder durch die Schaffung von Einstellungsmöglichkeiten in Fällen, in denen das Unternehmen Vorsorge für die Zukunft trifft und alles ihm Mögliche zur Aufklärung und Schadensbeseitigung beiträgt - um jedenfalls die Compliance voranzutreiben.

Die entsprechende Beteiligung im Gesetzgebungsverfahren der Bundesregierung sowie die konsequente Anwendung der vorhandenen Gesetze werden Handlungsschwerpunkte der Niedersächsischen Landesregierung sein.

Unabhängig vom Fort- und Ausgang des anstehenden Gesetzgebungsvorhabens wird die Landesregierung Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die mit Verfahren der Wirtschaftskriminalität und Korruption befasst sind, in dieser Richtung gezielt fortbilden, und auch den Richterinnen und Richtern werden entsprechende Angebote gemacht werden. Bei den Präsidien der Gerichte wird die Landesregierung dafür werben, der Bedeutung der Verfahren durch entsprechende Personalentscheidungen ausreichend Rechnung zu tragen, denn eine erfolgreiche Arbeit auf diesem Gebiet wird nicht ohne Erfahrung und Kontinuität möglich sein.

Und schließlich wird die Niedersächsische Landesregierung auf politischer Ebene bei den Kommunen dafür werben, dass auch diese die Möglichkeiten des OWiG konsequent anwenden und erforderlichenfalls tätig werden.

Bei alledem wird die Landesregierung die Prämisse beachten, dass das Strafrecht unbedingt ultima ratio bleiben muss. Der Tatsache, dass weder jetzt noch künftig das komplette unlautere Gebaren der Wirtschaft durch das Strafrecht kontrolliert und geahndet werden kann, ist sie sich dabei bewusst.

Zu 3.:

Auf Mitinitiative der Landesregierung hat der Bundesrat am 3. Mai 2013 die Entschließung "Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit und gegen Steuerbetrug" gefasst. Darauf aufbauend unterstützt die Landesregierung Maßnahmen auf internationaler Ebene, um den staatlichen Kampf gegen Steuerhinterziehung deutlich zu forcieren und um damit den Druck auf sog. Steueroasen nachdrücklich zu verschärfen. Ein zentrales Mittel ist dabei die Verbesserung des internationalen Auskunftsaustauschs.

Die Mitwirkung der Landesregierung an der Verhinderung des Steuerabkommens mit der Schweiz war ein wichtiger Baustein, um stattdessen einen automatischen internationalen Informationsaustausch ohne anonymen Quellensteuerabzug zu erreichen. Auch dies zeigt, dass die Landesregierung die Bekämpfung des Steuerbetrugs sehr ernst nimmt und Steuerstraftaten konsequent verfolgt werden.

Ein wichtiger weiterer Baustein ist die personelle Verstärkung der steuerlichen Außendienste durch Schaffung zusätzlicher 100 Stellen im Bereich der Betriebsprüfung und Steuerfahndung. Des Weiteren beteiligt sich die Landesregierung intensiv an der Modifizierung der bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung.

Auch der Ankauf von Steuerdaten durch die Länder wird durch die Landesregierung weiterhin unterstützt.

Die aktuellen Zahlen der Steuerpflichtigen, die sich vor dem Hintergrund des wachsenden Verfolgungsdrucks nunmehr selbst anzeigen, verdeutlichen, dass das Bündel an Maßnahmen der Landesregierung greift und das Risiko entdeckt zu werden derzeit stetig steigt und generalpräventiv wirkt.

Zeigten sich in der Jahren 2011 und 2012 in Niedersachsen nur 1.187 bzw. 1.206 Steuerpflichtige selbst an, waren es im letzten Jahr mit 2.862 Steuerpflichtigen weit über doppelt so viele. Allein im Januar dieses Jahres zeigten sich bereits 469 Steuerpflichtigen selbst an.

Insgesamt konnten in Niedersachsen im Zusammenhang mit den CD-Ankäufen aus Liechtenstein, der Schweiz und Luxemburg seit 2007 aus der Bearbeitung von rd. 7.000 Vorgängen Staatseinnahmen (Mehrsteuern, Strafen, Geldauflagen, Hinterziehungszinsen)
i. H. v. 175 Mio. Euro erzielt werden (Stand: 31.01.2014).

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
28.02.2014

Ansprechpartner/in:
Herr Alexander Wiemerslage

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5044
Fax: 0511 / 120 - 5181

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln