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Pilotprojekt Leichte Sprache in der niedersächsischen Justiz

Raus aus der Fachsprache - Rein ins Leben



Eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen und politischen Leben ist eine verständliche Sprache. Das trifft vor allem auf Menschen mit kognitiven Einschränkungen zu. Ebenso wie eine Treppe oder ein Bordstein eine Barriere für einen Rollstuhlfahrer darstellt, ist eine komplizierte Sprache eine Barriere für Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Insbesondere die Fachsprache der Behörden ist häufig sehr schwierig und lässt diese Menschen hilflos zurück. Auch die in der Justiz eingesetzten Formulare und Informationsbroschüren bis hin zu den Texten im Internet-Auftritt sind für Menschen mit kognitiven Einschränkungen nur schwer oder gar nicht lesbar.

Um sprachliche Barrieren abzubauen, wurde die Leichte Sprache entwickelt. Sie ist eine Sprachform mit weniger komplexem Satzbau und reduziertem Wortschatz, die optimal auf die Bedürfnisse von Menschen mit kognitiven Einschränkungen zugeschnitten ist. Aber Leichte Sprache ist nicht nur auf behinderte Menschen beschränkt, sondern erleichtert vielen Menschen den Zugang zu Informationen, also auch funktionalen Analphabeten, Migranten oder anderen Personengruppen, deren Lesefähigkeit hinter dem Durchschnitt zurückbleibt.

Leichte Sprache zielt sehr stark auf Vereinfachungen ab. Die Fachsprache der Justiz, das sog. "Juristendeutsch", ist dagegen sehr abstrakt und komplex. Sie ist selbst für den rechtsunkundigen Laien ohne kognitive Einschränkungen oftmals schwer oder gar nicht verständlich. Daher hat das Niedersächsische Justizministerium zusammen mit dem Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim und dem Amtsgericht Hildesheim ein Pilotprojekt aufgelegt, bei dem justizbezogene Textsorten nach wissenschaftlichen Grundsätzen in Leichte Sprache zu übersetzen waren.

Folgende Texte wurden übersetzt:

Informationsbroschüre "Vorsorgevollmacht für Unfall, Krankheit und Alter"

Informationsbroschüre "vererben - erben - Wichtige Informationen zum Erbrecht"

Justiz verstehen (Internet-Artikel)

Zeugenladung in Strafsachen

Erläuterungstext zum Formular "Anregung auf Einrichtung einer Betreuung"


Leichte Sprache - Fragen und Antworten


1. Begriff

Der Begriff Leichte Sprache ist nicht geschützt. Mit Leichte Sprache wird eine barrierefreie Sprache bezeichnet, die sich durch einfache, klare Sätze und ein übersichtliches Schriftbild auszeichnet. Sie ist deshalb besser verständlich. Zu Leichte Sprache gehören auch erklärende Bilder, Fotos oder Grafiken. Es existiert ein Regelwerk, dass sich sowohl auf die sprachliche als auch auf die gestalterische Ebene bezieht. Einige Regeln dazu:

  • Einfache Worte
  • Kurze Sätze mit klarer Satzgliederung
  • Keine Abkürzungen
  • Keine Verneinungen
  • Keine Silbentrennungen am Zeilenende
  • Keine abstrakten Begriffe und Fremdwörter
  • Klare Schriftarten (z. B. Arial) mit einer Schriftgröße von mindestens 14pt

Um weitestgehende Verständlichkeit der Informationen in Leichte Sprache sicherzustellen, sollten die Texte durch Menschen mit kognitiven Einschränkungen überprüft werden.


2. Wer hat die Leichte Sprache entwickelt?

Die Leichte Sprache ist von und für Menschen mit kognitiven Einschränkungen entwickelt worden. (über Organisationen wie Netzwerk Leichte Sprache, Inclusion Europe, u.a.)


3. Für wen ist Leichte Sprache?

Leichte Sprache ermöglicht besonders vielen Menschen den Zugang zu Informationen: Lernbehinderten, Hörgeschädigten, aber auch funktionalen Analphabeten, Migranten oder andere Personengruppen, deren Lesefähigkeit hinter dem Durchschnitt zurückbleibt. Sie ist also nicht nur auf behinderte Menschen beschränkt, sondern erleichtert vielen Menschen den Zugang zu Informationen.


Gesetzliche Grundlagen

Bund:

  • UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK [2009].
    Die UN-Behindertenrechtskonvention (Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen: BGBI. 2008 11, S. 1419) sieht in Artikel 21 u. a. folgendes vor: "Die Vertragsstaaten müssen Menschen mit Behinderungen für die Allgemeinheit bestimmte Informationen rechtzeitig und ohne zusätzliche Kosten in zugänglichen Formaten und Technologien, die für unterschiedliche Arten der Behinderung geeignet sind, zur Verfügung stellen."
  • Behindertengleichstellungsgesetz - BGG [2002].
    Internetauftritte müssen von den Bundesbehörden barrierefrei gestaltet werden. Dazu zählt auch die Übersetzung in Leichte Sprache.
  • Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung - BITV 2.0 [2011]
    Die Verordnung legt detailliert fest, wie die Übersetzung der Internetauftritte in Leichte Sprache auszusehen hat.

Land Niedersachsen:

  • Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen - NBGG [2008].
    Niedersachsen hat keine eigene Verordnung zur barrierefreien Informationstechnik erlassen. Der Geltungsbereich, Internet und grafische Benutzeroberflächen ist bereits im Gleichstellungsgesetz festgelegt (§ 9 NBGG). Technische Standards wie auf Bundesebene (BITV 2.0) sind im Gesetz nicht enthalten. Es enthält lediglich die Formulierung, dass Angebote so gestaltet werden müssen, "dass sie von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können".
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